13. April 2021

LMV April 2021: Leitantrag „Soziale Kämpfe in die Parlamente“



Utopien gestalten knapp 150 junggrüne Menschen in ihren Kommunen seit diesem Jahr gemeinsam. Auf kommunaler Ebene kämpfen wir als GRÜNE JUGEND Hessen leidenschaftlich für Klimaschutz, soziale Kommunen und gegen Nazis und tragen diesen Kampf nun in die Parlamente. Doch es gibt auch Themen, bei denen die Kommunalpolitik an ihre Grenzen stößt. Seien es die Finanzierung der Antirassismus- und Demokratieförderung, ein krisensicheres Gesundheitssystem oder eine gute Sozialpolitik. Als politischer Jugendverband wollen wir die sozialen Kämpfe unserer Zeit mitgestalten und gemeinsam mit sozialen Bewegungen, von der Straße in die Parlamente tragen. Lasst uns im kommenden Bundestagswahlkampf unsere Utopien einbringen und gemeinsam für eine sozialere, ökologischere und feministischere Zukunft streiten.

1) Das gute Leben für alle gemeinsam erkämpfen

Wir kämpfen im Bundestagswahlkampf und darüber hinaus für eine offene und solidarische Gesellschaft. Alle Menschen haben das Recht ohne Benachteiligung oder Diskriminierung leben zu können. Deine Chancen dürfen nicht von deinem Geschlecht, deiner (zugeschriebenen) Herkunft oder Religion, Behinderung, sexuellen Orientierung oder dem sozio-ökonomischen Hintergrund abhängen. Demokratie kann erst dann gelingen, wenn sie die ganze Gesellschaft repräsentiert und alle an ihr teilhaben können. Wir stellen uns solidarisch an die Seite der vielen sozialen Bewegungen, die für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen.

Demokratie stärken – Rechte Netzwerke zerschlagen

Wir brauchen endlich ein Demokratiefördergesetz auf Bundesebene, um antifaschistische, antirassistische und demokratiefördernde Arbeit zu verfestigen, damit sich Initiativen nicht immer wieder von Projektantrag zu Projektantrag entlanghangeln müssen. Präventions-, Aussteiger- und Opferberatungsorganisationen müssen eine stabile Förderung erhalten, ohne durch eine Extremismusklausel unter Generalverdacht gestellt zu werden. Wir lehnen es ab, dass linken Organisationen mit dem Gemeinnützigskeitsentzug gedroht wird. In unserem Antrag zu Polizeigewalt haben wir im Juli 2020 klare Forderungen für eine Reform der Sicherheitsbehörden im Einsatz gegen rechte Strukturen gestellt. Der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten sowie post-koloniale Machtstrukturen muss in allen Politikbereichen handlungsleitend sein.

Feminismus ist muss!

Gewalt gegen Frauen und LSBTIQA* Personen -sowohl physisch als auch psychisch- ist immer noch alltäglich in dieser Gesellschaft. Die Diskriminierung von Frauen, sei es beim Recht über den eigenen Körper oder im Bereich der Care Arbeit, geht uns alle an. Das Patriarchat zerschlägt sich nicht von alleine! Deswegen muss unser sozialer Kampf auch ein feministischer sein. Unser Feminismus ist dabei intersektional, queerfeministisch und materialistisch. Wir kämpfen gegen Mehrfachdiskriminierungen und für ein Ende der kapitalistischen Ausbeutung von Menschen, insbesondere bei der Sorgearbeit. Paragraphen, die das Recht auf körperliche Selbstbestimmung einschränken, müssen endlich gestrichen werden. Wir brauchen gleiche Löhne für gleiche Arbeit, eine Abschaffung des Ehegattensplittings und die sichere Finanzierung von Frauenhäusern. Und wir brauchen eine feministische Außenpolitik, die die Repräsentation von Frauen und marginalisierten Gruppen in Friedensprozessen sichert und uns im Kampf gegen das heteronormative Patriarchat und postkoloniale internationale Machtstrukturen weiterbringt.

Queere Rechte sichern

Wir brauchen eine Politik, die die Rechte von LSBTIQA* Personen sichert und Gewalt gegen unsere queeren Mitbürger*innen bekämpft. Wir fordern die Verabschiedung eines Selbstbestimmungsgesetzes auf Bundesebene, dass u.a. die Verfahren für die Berichtigung des Geschlechtseintrages vereinfacht und das Offenbarungsverbot im Umgang mit Behörden und Unternehmen konkretisiert. Der Schutz vor Diskriminierung auf Grund von sexueller Orientierung muss endlich in den Artikel 3 des Grundgesetzes eingefügt werden. Diskriminierende Regelungen, wie das de facto Verbot für Männer, die Sex mit Männern haben, Blut zu spenden und die Hürden im Adoptionsrecht für queere Paare müssen endlich beseitigt werden.

Recht auf selbstbestimmtes Leben umsetzen

Menschen mit Behinderung haben ein Recht darauf, gleichberechtigt wohnen, lernen und arbeiten zu können und die Unterstützung zu wählen, die sie dafür brauchen. Die UN-Behindertenrechtskonvention muss von der Bundesregierung endlich umfassend umgesetzt werden! Das umfasst die Überarbeitung des Bundesteilhabegesetzes, um Menschen mit Behinderung ein uneingeschränktes Wunschrecht bei der Wahl und Gestaltung von Unterstützungsleistungen, ein umfassendes Wahlrecht bei der Erbringung von Sach- und Dienstleistungen außerhalb von Rehabilitationseinrichtungen sowie die Unterstützung bei der Wahrnehmung dieser Rechte zu gewähren. Dazu braucht es auch eine inklusive (Um-)Gestaltung von Stadtquartieren und Dörfern, barrierefreies Bauen und eine Verpflichtung privater Anbieter*innen zur Umsetzung von Barrierefreiheit. Diskriminierende Vorschriften, wie der Mehrkostenvorbehalt für ambulante Leistungen, müssen gestrichen werden. Hürden, die die politische Partizipation für Menschen mit Behinderung erschweren, müssen abgeschafft und mehr politische relevante Informationen in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache bereitgestellt werden. Mit einem Bundesinklusionsgesetz soll sichergestellt werden, dass alle Angebote der Kinder- und Jugendhilfe künftig so ausgestaltet sind, dass sie sich auch an Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und ihre Eltern richten.

Jugend an die Schalthebel

Häufig wird gesagt, die Jugend sei die Zukunft. Doch leider darf die Jugend ihre politische Zukunft kaum mitbestimmen. Wir wollen die Altersdiskriminierung im Wahlrecht abschaffen und fordern kurzfristig die Absenkung auf 14 Jahre und langfristig die Abschaffung eines Mindestwahlalters und stattdessen die Einführung eines Wahlscheins, den alle Menschen unter 14 Jahren beantragen können. Wir fordern mehr finanzielle Mittel für Jugendprojekte vor Ort, damit Kinder und Jugendliche mehr Plätze haben, an denen sie ihre Freizeit gemeinsam mit anderen verbringen können. Dort müssen auch PCs und Laptops sowie moderne, technische Geräte zur Verfügung stehen, damit Jugendliche in sicherer Umgebung den Umgang mit digitalen Medien erlernen können.

Festung Europa niederreißen

Schließlich darf unsere Solidarität nicht an nationalen Grenzen aufhören. Mehr als 80 Millionen Menschen sind nach Einschätzung des UNHCR weltweit auf der Flucht vor Krieg, Konflikten und Verfolgung. An den Grenzen des Friedensnobelpreisträgers Europäische Union sterben tausende Schutzbedürftige und die zivilgesellschaftliche Seenotrettung wird kriminalisiert. Deutschland muss bei der Aufnahme von Geflüchteten endlich vorangehen und ein Zeichen für sichere Häfen setzen. Dazu gehört, dass § 23 (1) des Aufenthaltsgesetzes geändert wird, um den Bundesländern zu erlauben, eigenständig Landesaufnahmeprogramme aufzusetzen. Ebenso gilt es, sich für sichere Fluchtwege und das Ende der EU-Abschottungspolitik einzusetzen, damit Menschen nicht mehr auf lebensgefährlichen Routen fliehen müssen. Statt dem ungerechten Dublin-System brauchen wir eine solidarische Lösung, die Geflüchteten die Wahl ihres Asylortes ermöglicht. Und wir müssen weg vom Konstrukt der vermeintlich „sicheren“ Herkunftsstaaten, wieder hin zur Einzelfallprüfung. Wir wollen für ein langfristiges Ankommen sorgen, indem alle notwendigen Ressourcen für eine menschenwürdige Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung, zur Verfügung gestellt werden und der Einsatz für Bleibeperspektiven und auch für Familiennachzug im Vordergrund steht. Langfristig streben wir eine Überwindung von Nationalstaaten sowie globale Bewegungsfreiheit für alle an.

2) Gute Bildung für alle

Wir wollen eine Gesellschaft, die auf allen Ebenen fair und solidarisch ist. Eine Gesellschaft in der Bildung nicht Privileg, sondern Menschenrecht ist. Wir müssen verhindern, dass Armut vererbt wird und den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg endlich aufbrechen! Alle Bildungseinrichtungen, von der Kita bis zur Hochschule, sollen kostenfrei sein – finanziert über Steuermittel. Das ist unsere Vorstellung einer solidarischen Bildungspolitik, die über den Tellerrand hinausblickt und Schwache fördert sowie Starke fordert.

Chancengerechter Start ins Leben

Bildungsgerechtigkeit beginnt bereits bei der frühkindlichen Bildung. Alle folgenden und wichtigen Bildungsprozesse sowie Chancen basieren auf diesem Fundament. Ein hoher Qualitätsstandard in der Erziehung und Begleitung ist deshalb bereits bei Kindern ab Geburt bis ins Vorschulalter elementar wichtig, um alle Kinder, unabhängig vom Wohnort und den sozio-ökonomischen Voraussetzungen ihrer Eltern, die bestmöglichen Bildungs- und Entwicklungschancen zu garantieren. Als GRÜNE JUGEND Hessen fordern wir deshalb, dass die Politik nachhaltig mehr Geld sowie Fördermittel in die frühkindliche Bildung investiert und hochwertige/ qualitative Standards, z.B. im Bereich der Medienbildung, etabliert/eingesetzt werden. Dafür brauchen wir Kitas, die jedes einzelne Kind fördern und unterstützen. Wir wollen beitragsfreie Bildung von Anfang an und einen sofortigen Ausbau der Kitas. Jede Familie hat das Recht auf einen kostenfreien Kita Platz pro Kind. Jedes Kind hat das Recht, sich nach den eigenen Fähigkeiten und Interessen zu entfalten.

Kinderarmut stoppen!

Aktuell gelten 3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland als arm. Das ist jedes fünfte Kind in Deutschland! Wir fordern die Einführung einer Kindergrundsicherung, um die viel zu hohe Kinderarmut endlich anzugehen. Durch diese beenden wir die Ungerechtigkeit, dass sich die staatliche Unterstützung der Kinder am Einkommen ihrer Eltern bemisst. Denn Geldleistungen und soziale Infrastrukturleistungen des Staates    dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, Kinder und deren Familien brauchen beides. Für mehr Chancengerechtigkeit ist neben der Einführung einer Kindergrundsicherung auch ein Bildungs- und Erziehungssystem, das niemanden zurücklasst, dringend notwendig.

Schule endlich chancengerecht gestalten

Wir leben in einer Zeit, in der junge Menschen große Angst um ihre Zukunft haben und sich allein gelassen fühlen. Seit einem Jahr findet kaum noch Unterricht statt und das hat fatale Folgen für junge Menschen. Dazu kommt, dass unser Bildungssystem in der Vergangenheit stecken geblieben ist. Wir brauchen eine Bildungsrevolution! Schule im Jahre 2021 muss endlich chancengerecht und modern sein. In unserem Bildungsantrag haben wir im Herbst 2020 klare Forderung für eine starke und gerechte Bildung gestellt! Wir als GRÜNE JUGEND Hessen wollen dafür kämpfen, dass unsere Utopien von Bildung endlich Wirklichkeit werden! Für uns als GRÜNE JUGEND Hessen ist eine gerechte Bildung der Grundstein für eine offene, nachhaltige und selbstbestimmte Gesellschaft.

Ausbildungen stärken

Die Qualität der Ausbildung sinkt immer stärker, insbesondere an den Berufsschulen, wo es vor allem an Geld für Infrastruktur, Lehrkräfte und an der Verzahnung mit den Betrieben mangelt. Und der Stress im Bildungssystem nimmt zu, auf Kosten der Qualität, denn die Ausbildungszeiten an Schulen und Unis werden immer mehr verkürzt. Bildung braucht Zeit und vor allem Geld. Es muss klar sein, dass Bildungsinteressen vor wirtschaftlichen Interessen stehen müssen und ein lebenslanges Lernen ermöglicht werden muss! Wir als GRÜNE JUGEND Hessen finden, dass junge Menschen eine Ausbildungsgarantie brauchen. Außerdem müssen Ausbildungsberufe attraktiver, sicherer und barrierefrei gestaltet werden. Auszubildende müssen in ihren Lehrjahren endlich genug Lohn bekommen, um ein eigenständiges Leben führen zu können und nicht abhängig von Verwandten oder Freund*innen zu sein. Außerdem müssen die Rechte der Jugend- und Ausbildungsvertretung gestärkt werden. Es ist unverständlich, dass betriebliche Mitbestimmung nicht in allen Betrieben einen hohen Stellenwert hat oder überhaupt nicht existent ist.

Eine Hochschule für Alle

Das deutsche Bildungssystem ist selektiv, wie kaum ein anderes auf der Welt und das setzt sich an den Hochschulen weiter fort. Wir fordern, die Barrieren zum Hochschulzugang ein für alle Mal einzureißen. Durch Numeri Clausi und (versteckte) Studiengebühren werden gerade Abiturient*innen aus einkommensschwachen Haushalten und Bildungsaufsteiger*innen vom Studieren abgehalten. Damit muss endlich Schluss sein! Wir wollen, dass alle Studiengebühren restlos abgeschafft werden, auch solche für Langzeitstudierende. Bildung ist und bleibt keine Ware und die Hochschule ist kein Supermarkt. Wir müssen die Notwendigkeit einer Begrenzung von Studienplätzen durch einen Ausbau von Studienplätzen obsolet machen. Wir wollen die Grundfinanzierung stärken, anstatt Universitäten in Exzellenzwettbewerben um begrenzte Mittel gegeneinander antreten zu lassen. Einen weiteren wichtigen Pfeiler der Bildungsgerechtigkeit sehen wir in der Voraussetzung, das eigene Studium finanzieren zu können. Die GRÜNE JUGEND Hessen wird sich auch in Zukunft für ein gerechtes BAföG einsetzen, das alle Studierenden unabhängig von Alter, Leistung, Elternhaus oder Semesterzahl die Möglichkeit gibt, ihr Studium grundlegend zu finanzieren.

Digitalisierung an die Schulen bringen

Die Corona-Krise hat nochmal deutlich gemacht, dass wir einen großen Investitionsstau bei der Digitalisierung im Bildungswesen haben. Die meisten Schulen sind weder mit dem notwendigen Personal noch mit der notwendigen Hard- oder Software ausgestattet, um in einem Regelbetrieb arbeiten zu können. Medienkompetenz ist zentral für das Leben im 21. Jahrhundert. Wir wollen digitale Bildung als Querschnittsthema in allen Lehrplänen verankern. Die digitalen Medien sind nicht nur Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern vor allem Wissensspeicher. Besondere Beachtung muss im Zuge der Digitalisierung das Lernen Zuhause finden. Hierfür bedarf es einer angemessenen digitalen Infrastruktur. Schüler*innen müssen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und dem Vermögen ihrer Eltern, über entsprechende digitale Endgeräte, sowie einen problemlosen Zugang zum Internet verfügen. Die Corona-Pandemie hat eindeutig gezeigt, dass nur so der flächendeckende Zugang zu Bildung ermöglicht werden kann. Die Digitalisierung der Schulen darf auf keinen Fall Kinder aus ärmeren Haushalten ausgrenzen. Digitalisierung muss ebenfalls als Chance für Inklusion verstanden und dementsprechend ausgebaut werden. So wird die digitale Teilhabe am Unterricht ermöglicht, wenn Schüler*innen z.B. nicht persönlich am Unterricht teilnehmen können. Wir als GRÜNE JUGEND Hessen setzen uns dafür ein, dass der „Digitalpakt“ unkompliziert und bedarfsgerecht für alle Schulen abrufbar ist und allen Schüler*innen und Fachkräfte notwendige digitale Geräte kostenlos zur Verfügung gestellt werden! Die tiefe soziale Spaltung nach Schulformen zeigt: es ist Zeit für eine progressive Bildungspolitik! Schulen dürfen keine bloßen Lernfabriken zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt sein, sondern Orte zum freien Lernen und Entfalten auf dem Weg hin zu einer emanzipierten Gesellschaft.

3) Sozialer Kampf statt Arbeitskrampf

Das ein „Weiter-So“ keine Alternative ist, hat sich einerseits in der Corona Krise gezeigt, in der ein kaputt gespartes Gesundheitssystem, das Beharren auf dem Weiterlaufen der Wirtschaft und das Festhalten an Patentrechten für Impfstoffe mehr als 70.000 Menschen in Deutschland und Millionen Menschen weltweit das Leben gekostet hat. Andererseits zeigt sich das tagtäglich im politischen Versagen im Kampf gegen die Klimakrise. Solange Unternehmen strukturell gezwungen sind die Umwelt für Profite auszubeuten, um im internationalen kapitalistischen Wettbewerb bestehen zu können, und Staaten auf Steuern von eben diesen Unternehmen angewiesen sind, um handlungsfähig zu bleiben, werden wir die multiplen Krisen dieser Zeit nicht bewältigen können.

Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation hin zu einer Wirtschaft, die sich von Profit- und Wachstumszwängen löst und die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellt. Unser derzeitiges Wirtschaften findet auf dem Rücken der Umwelt und der ausgebeuteten Menschen, vor allem im globalen Süden statt. Auch in Deutschland sind immer noch zu viele Menschen von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Gleichzeitig geht in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Das ist ungerecht und gefährdet den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wir brauchen ein Umdenken in unserer Arbeits- und Sozialpolitik! Unsere Vision bleibt eine Gesellschaft ohne Armut, Ausbeutung und Lohnarbeitszwang, in der ein Mensch nicht anhand seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit gemessen wird.

Ein wirkliches „Sozial“-system

Um dahin zu kommen brauchen wir erstens eine Abschaffung von Hartz IV und die Einführung einer sanktionsfreien Garantiesicherung, die Bezieher*innen auffängt und ihnen die volle gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Langfristig streben wir ein bedingungsloses Grundeinkommen an. Obwohl die Produktivität von Arbeitnehmer*innen in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen ist, sinken die Arbeitszeiten nicht und die Löhne sind im europäischen Vergleich niedrig. Deswegen fordern wir eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden oder weniger bei vollem Gehalt. So können wir die Arbeitnehmer*innen stärker am erarbeiteten Profit beteiligen und schaffen gleichzeitig mehr Zeit für politisches Engagement, Bildung und Beziehungsarbeit. Zudem brauchen wir die Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens 15€ die Stunde und eine Abschaffung aller Ausnahmen von diesem.

Um das alles zu finanzieren, müssen wir an die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland ran. Alle Menschen profitieren von staatlichen Strukturen und müssen deswegen ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Ein großer Teil des privaten Vermögens ist in Deutschland aber nicht durch Arbeit, sondern durch Erben zustande gekommen. Davon landet aber nur ein Bruchteil beim Staat. Anstatt von Ausnahmen und Schlupflöchern für Großerb*innen, brauchen wir eine gestaffelte und erhöhte Erbschaftsteuer, die auf dem familiären Verhältnis und dem bisherigen Reichtum der Erb*innen basiert. Darüber hinaus brauchen wir eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf mindestens 55%, die Einführung einer rechtssicheren progressiven Vermögenssteuer und einer Finanztransaktionssteuer, sowie das konsequente Vorgehen gegen Steuervermeidung und -betrug. Im Kampf gegen die Klimakrise müssen wir klimaschädliche Subventionen abbauen und endlich eine wirksame CO²-Steuer erheben, mit welcher das 1,5-Grad-Ziel erreichbar ist. Diese muss in Form eines sozial gerechten Klimageldes an alle Bürger*innen zurückgezahlt werden, sodass einerseits eine Lenkungswirkung entsteht, aber andererseits Geringverdiener am Ende des Jahres nicht weniger Geld in der Tasche haben.

Mehr Demokratie in Betrieben wagen

Schließlich müssen wir die Wirtschaft demokratisieren. Manche Bereiche, wie Mobilität, Gesundheit, Energie und Wohnen, sind Grundrechte, die nicht danach gewährt werden dürfen, wer das Geld dafür hat. Darüber hinaus müssen wir die Gewerkschaften stärken. Wir brauchen eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, damit die Betriebsräte nicht nur bei sozialen oder arbeitsrechtlichen, sondern auch bei unternehmerischen Fragen mitentscheiden können. Betriebsräten muss ein Mitsprache- und Vetorecht bei Kündigungen, ein Informationsrecht über alle Werk- und Leiharbeiter*innen, sowie weiterer Randbelegschaft auf dem Werksgelände und auch ein politisches Streikrecht zugestanden werden. Auch im Zuge der Digitalisierung brauchen die Betriebsräte mehr Möglichkeiten zu wirken, z.B. bei der Datensammlung über Mitarbeitende. Mindestens 50 Prozent der Plätze in Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen müssen durch Arbeiter*innen besetzt werden, um echte politische Teilhabe zu sichern. Sämtliche staatlichen Organe müssen sich verpflichten, Aufträge nur an Betriebe zu geben, die eine Tarifbindung haben und ausreichend ökologische Standards erfüllen.

Arbeitskämpfe digital und international

Gleichzeitig ist uns klar, dass wir Arbeitskämpfe international führen müssen. Denn unter dem kapitalistischen System und der Klimakrise leiden die Menschen und Lohnabhängigen im Globalen Süden am meisten. Die Einführung eines konsequenten Lieferkettengesetzes in Deutschland und auf der Ebene der Europäischen Union ist ein erster Schritt gegen die globale Ausbeutung von Mensch und Natur. Wir sehen die Digitalisierung als Chance, um unserem Ziel einer Gesellschaft mit weniger Arbeit und ohne Armut und Zwang näher zu kommen. Wir müssen die Gewinne aus der Digitalisierung der Arbeit gerecht verteilen und Menschen, die ihre Arbeit deswegen verlieren, auffangen und Perspektiven bieten.

Yes We Care!

Viele Frauen müssen im Moment aus dem Homeoffice heraus die Betreuung der Kinder, die Erziehung und Bildung dieser, sowie die sonstige unbezahlte Care-Arbeit erledigen. Das muss sich ändern! Jede Person im Haushalt ist gleich gut geeignet, die Sorgearbeit auszuüben. Wir müssen diese patriarchalen Denkweisen überwinden und es zur Regel machen, dass auch Männer in Teilzeit arbeiten oder sich Elternzeit nehmen können! Arbeitgeber*innen müssen Personen, die zuhause die Sorgearbeit übernehmen, Gleitzeitregelungen, Arbeitszeitkonten und generell mehr Flexibilität in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einräumen. Diese Möglichkeiten müssen flächendeckend vorhanden sein und aktiv von Arbeitgeber*innen für alle Geschlechter angeboten werden.

Das ist unser Haus!

Gerade in unseren Städten ist Wohnen zu einer der zentralen sozialen Kämpfe geworden. Mieten- und Eigentumspreise steigen scheinbar ungebremst an und immer mehr sozialgeförderte Wohnungen fallen aus der Bindung, sodass breite Bevölkerungsschichten keine bezahlbare Wohnung mehr finden. Es ist deshalb an der Zeit für eine Wende in der Wohnungspolitik! Wohnen ist ein Grundrecht und keine Ware! Wir setzen uns deshalb auch dafür ein, dass dies als solches im Grundgesetz verankert wird.

Grundlage für eine soziale und solidarische Wohnungspolitik ist die Einführung der Neuen Wohngemeinnützigkeit, die es endlich wieder attraktiv machen würde, für z.B. mehr sozialen Wohnungsbau zu sorgen. Denn es kommt nicht nur darauf an, dass gebaut wird, sondern vor allem auch wie, was und für wen! Wichtig ist aber auch den Mieter*innen eine Atempause zu verschaffen. Wir unterstützen deshalb die Idee eines bundesweiten Mietenstopps, der die Mieten auf dem jetzigen Stand für sechs Jahre einfriert und strikte Oberwerte einführt. Nur für Mieten, die weniger als 80% der ortsüblichen Vergleichsmiete betragen, soll eine jährliche Mietsteigerung von 2 % pro Jahr bis maximal 80% der ortsüblichen Vergleichsmiete möglich sein, um Härtefälle zu vermeiden. Weitere Maßnahmen, wie der Einbezug von allen Bestandswohnungen bei der Berechnung des Mietspiegels und ein Wohnraumzweckentfremdungsverbot zur Bekämpfung von Leerstand, sind sinnvolle Ergänzungen. Klar ist auch: Wir brauchen mehr Wohnraum in öffentlicher Hand, um Spekulation wirksam entgegentreten zu können. Über Rekommunalisierung und Enteignung von großen preistreibenden Immobilienkonzernen, wie z.B. der Deutsche Wohnen und Vonovia, kann dieser Weg gegangen werden.

Wir als GRÜNE JUGEND Hessen stehen für eine Wohnungspolitik, die die soziale und ökologische Dimension zusammen denkt. Dies bedeutet flächenschonend und bedarfsorientiert zu bauen, Stadtplanung vom Grün her zu denken, Niedrigenenergiehausmodelle zu fördern und auf nachhaltige Rohstoffe zu setzen. Aber auch die dringend benötigte ökologische Sanierung von Bestandsgebäuden in einem möglichst geringen Ausmaß auf die Mieter*innen umzulegen. Gleichzeitig gilt es auch den ländlichen Raum nicht aus dem Auge zu verlieren und dort gezielt Infrastruktur aufzubauen, um der Landflucht entgegenzuwirken. Entscheidend wird auch sein, wie wir mit der begrenzten Ressource von Grund und Boden umgehen. Wir brauchen eine soziale Bodenordnung, eine Bodenwertsteuer, die nicht das Grundstück an sich bewertet, sondern auch Wertsteigerungen mit einberechnet, und statt dem massiven Verkauf nur noch eine Verpachtung von öffentlichen Flächen.

4) Gesundheit ist ein Menschenrecht!

Der Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder der wirtschaftlichen Lage. Doch die voranschreitende Ökonomisierung des Gesundheitssystems sorgt dafür, dass die menschlichen Bedürfnisse nicht im Zentrum stehen, sondern Profit und Gewinn. Für uns als GRÜNE JUGEND Hessen ist klar: Gesundheit ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht!

Impfstoff für Alle

Die nationalistischen Egoismen in der internationalen Verteilung von Impfstoffen zeugen von einem moralischen Versagen. Und der Preis dafür werden Menschenleben und Existenzen vor allem in den ärmsten Ländern der Welt sein. Deutschland muss sich in der WTO für eine Freigabe der Patente der Corona Impfstoffe einsetzen, damit alle Länder sofort mit der Produktion von Impfstoffen anfangen können. Hier in Deutschland wird weiterhin im Schneckentempo über eine Impfstrategie diskutiert. Die Bundesregierung muss jetzt so schnell wie möglich die Impfkampagne beschleunigen. Wir fordern, dass alle Menschen eine kostenlose, sichere und schnelle Impfung angeboten bekommen!

Gute Versorgung für Alle

Die bundesdeutsche Krankenkassenpolitik ist besonders auf Profit ausgelegt. Private, aber auch gesetzliche Krankenkassen machen hohe Umsätze mit der Gesundheit ihrer Kund*innen. Das darf so nicht sein! Jeder Mensch hat ein unveräußerliches Recht auf Gesundheit und dieses Recht darf nicht den Gesetzen des sogenannten freien Marktes unterworfen werden, wo sich die verschiedenen Anbieter*innen preislich zu unterbieten versuchen und gleichzeitig hohe Profite auf Kosten der Patient*innen einfahren. Privatpatient*innen werden häufig überversorgt, was auch ein gesundheitliches Risiko bergen kann, während Kassenpatient*innen um einiges länger auf Termine warten müssen und häufig weniger Zeit für eine gründliche Untersuchung zugesprochen bekommen. Deshalb fordern wir eine Bürger*innenversicherung, in die alle Menschen abhängig von ihrem Einkommen einzahlen und mit der das Versicherungssystem insgesamt solidarischer gestaltet wird.

Systemrelevant? Dann aber her mit dem besseren Lohn!

In der Corona Krise wurde noch deutlicher, dass unsere Gesellschaft ohne die vielen Menschen in der (unbezahlten) Sorgearbeit, dem Einzelhandel und vielen anderen unterbezahlten Berufsfeldern nicht überlebensfähig ist. Pfleger*innen sammeln Überstunden en masse, sind überarbeitet, über das Maximum hinaus emotional sowie körperlich überlastet und werden dafür auch noch katastrophal bezahlt. Wir fordern eine umfassende Reformierung des Gesundheitswesens und vor allem der Personalstellen. Wir fordern, dass die Pflege, wie der gesamte Gesundheitsbereich, primär darauf ausgelegt sein sollte, den betroffenen Menschen eine bestmögliche Pflege zu bieten. Wir lehnen ab, dass Gesundheit ein Profitgeschäft für große Konzerne ist und Mitarbeiter*innen und Patient*innen darunter leiden müssen! Dafür müssen die Strukturzwänge, die zu Unterbezahlung und Überschichten, zu schlechter Pflege und Behandlung führen durchbrochen werden. Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, höhere Löhne und einen besseren Personalschlüssel insbesondere im Bereich der Pflege- und Erziehungsberufe, um die seit Jahrzehnten bestehenden strukturellen Probleme endlich anzugehen.

Kostenloser Zugang zu Verhütungs- und Hygieneartikeln

Sichere und gute Verhütung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Deshalb fordern wir, dass die Kosten für Verhütungsmittel durch die neue Bürger*innenversicherung übernommen werden. Darüber hinaus muss die umfassende Aufklärung über alle Verhütungsmittel und ihre Verwendung stärker in den Lehrplänen der Schulen verankert werden. Nicht nur Kondome und die Pille sollen thematisiert werden, sondern auch die weniger bekannten Mittel wie Lecktücker und nicht-hormonelle Präparate zur Verhütung für alle Geschlechter. Die Menstruation stellt für viele Menschen eine finanzielle Belastung dar. Die Periode ist jedoch kein Luxus und nichts, wofür man bezahlen sollte. Wir fordern die kostenlose Zurverfügungstellung von Hygiene- und Verhütungsmitteln.

Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren

Das Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren darf nicht länger durch das Strafgesetzbuch kriminalisiert werden, die Paragraphen 218 und 219a StGB müssen gestrichen werden! Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung darf nicht nur auf Plakaten stehen, sondern muss endlich auf politischer Ebene realisiert werden. My Body My Choice!

Drogenpolitik – sicherer und verantwortungsvoller Konsum

Die GRÜNE JUGEND Hessen setzt sich für die Legalisierung von Cannabis und von zu Beginn kleinen Mengen anderer Drogen sowie umfangreiche Informations- sowie Präventionsmaßnahmen ein. Wir erkennen, dass der Drogenkonsum grundsätzlich verschiedene und zum Teil erhebliche Risiken birgt, denen mit einer Legalisierung jedoch deutlich besser begegnet werden kann. Denn bei der Legalisierung geht es auch darum, Konsument*innen zu schützen. Durch Kriminalisierung wird nämlich niemandem geholfen. Im Gegenteil, der Konsum wird unsicherer, da was offiziell nicht existieren und vertrieben werden darf auch nicht auf toxische Inhaltsstoffe überprüft werden kann. Wir brauchen jetzt eine liberale und moderne Drogenpolitik! Deswegen fordern wir endlich die Einführung eines flächendeckenden Drug-Checkings, das in unseren Nachbarländern schon erfolgreich funktioniert! Die GRÜNE JUGEND Hessen setzt sich für ein absolutes Verbot von Werbung sowohl für Tabak und Alkohol als auch für andere suchtfördernde Mittel und Glücksspiele ein. Weder dürfen Kinder und Jugendliche durch Werbung zum Konsum dieser Stoffe angeregt, noch dürfen natürliche Hemmschwellen aufgehoben werden.

5) Nicht nur Elitenförderung: Kultur und Sport für alle

Corona hat gezeigt, was für einen wichtigen Stellenwert Kultur und Sport in unserer Gesellschaft haben. Doch Kulturschaffende bewegen sich oft am Existenzminimum und die finanzielle Situation von Kultureinrichtungen waren schon vor der Pandemie sehr prekär. Wir fordern mehr finanzielle Mittel vom Staat in die Kultur, besonders in Sub- und Jugendkultur zu investieren. Darüber hinaus müssen Kulturschaffende endlich sozial abgesichert sein und fair vergütet werden. Wir fordern als GRÜNE JUGEND Hessen, dass die Kulturbranche eine sofortige Unterstützung sowie einen Weg aus der Krise erhält. Kultur ist keine Selbstverständlichkeit! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss weiter gestärkt, aber wo notwendig auch in den Strukturen verschlankt werden. Ungerechtfertigte Doppelstrukturen wollen wir abbauen.

Die Sportförderung muss noch mehr auf den Breitensport, als auf den Spitzensport ausgerichtet werden. Sportverbände und Vereine, welche durch korrupte, undemokratische oder intransparente Strukturen auffallen, dürfen so lange keine Förderungen mehr erhalten, wie diese Strukturen bestehen. Bei Projektförderungen sollen vor allem kleine Vereine profitieren, welche geringe Finanzmittel und/oder wo*menpower haben. Deutschland darf sich nur für Sportgroßveranstaltungen bewerben, wenn diese klimaneutral ausgerichtet werden und die Sportstädten nachhaltig verwendet werden können. Darüber hinaus müssen die Prämien für alle Geschlechter gleich hoch sein.

 

Beschlossen am 10.04.2021 auf der digitalen Landesmitgliederversammlung.



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