21. August 2020

Forderung der GRÜNEN JUGEND Hessen sechs Monate nach dem Terroranschlag



1.      Gedenkstätte Hanau

Wir werden die Opfer von Hanau nie vergessen. Es braucht Orte, an denen Menschen zusammenkommen können, um gemeinsam zu gedenken. Die von Angehörigen der Opfer gegründete Initiative 19. Februar soll unterstützt werden und die sichere und von den Angehörigen selbst gestaltete Gedenkstätte dauerhaft finanziert und unterstützt werden. Wir brauchen Orte, an denen Angehörige Unterstützung finden. Wir brauchen Orte, die den Verlust sichtbar machen und es nicht zulassen, dass die Opfer von rechtem Terror in Vergessenheit geraten. 

2.      Konsequente Aufklärung 

Der rechtsextremistische Anschlag in Hanau muss lückenlos aufgeklärt werden und die Verantwortlichen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei müssen alle Fragen der Angehörigen von rechtem Terror zum Vorgehen der Polizei und anderen staatlichen Institutionen vor, während und nach der Tatnacht beantwortet werden. 

3.      Vergangenheit aufklären. Untersuchungsausschüsse und Aktenoffenlegung

Um rechten Terror in Zukunft zu verhindern brauchen wir auch eine lückenlose Aufklärung der vergangenen Terrorakte.
Es braucht größtmögliche Transparenz bei den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes. Dieser muss kontrolliert werden und im Zweifelsfall aufgelöst werden, sollte sich der Verdacht erhärten, dass er in rechten Strukturen konstruktiv mitwirkt. Wir brauchen eine bessere personelle Ausstattung der parlamentrarischen Kontrollgremien. Die Empfehlungen aus den NSU Untersuchungsausschüssen müssen vollumfänglich umgesetzt werden und die Umstrukturierung des Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2016 evaluiert werden.
Damit eine größtmögliche Transparenz und umfassende politische Kontrolle des Verfassungsschutzes garantiert wird sowie mögliche Zusammenhänge zum NSU erkannt werden können, müssen dabei auch die Akten, unter der Wahrung von Persönlichkeitsrechten, freigegeben werden.

4.      Betroffene digitaler Gewalt stärken und Rechtsextremismus im Netz bekämpfen

Der digitale Raum trägt massiv zur Radikalisierung bei. Dabei spielen Algorithmen den Rechtsextremen in die Hände: Je radikaler der Post, desto häufiger wird er angeklickt und steigt in den Timelines höher. In der Anonymität der Sozialen Medien können Rassist*innen ihrem Hass beinahe einhaltslos freien Lauf lassen. Und selbst wenn es zum Prozess kommt, können sie sich – wie die jüngsten Urteile gegen Sawsan Chebli und Renate Künast zeigen – auf einen überaus umfassenden Begriff der Meinungsfreiheit berufen. Das ermutigt, Hass zu verbreiten. Außerdem werden immer mehr rechtsextremistische Netzwerke, die gezielt und organisiert Hass verbreiten, sichtbar. Gegen solche Netzwerke wurde aber bislang nur mangelhaft vorgegangen, weil das Internet selten im Blick der Ermittlungen ist. 

Betroffene von Hassrede hingegen bleiben mit ihren Erfahrungen viel zu oft allein. Spezialisierte Beratungsstellen für digitale Gewalt gibt es bisher nur sporadisch. Die Mittel fehlen, um flächendeckende, professionelle Arbeit zu leisten. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Zudem gilt es, Projekte zur Deradikalisierung von potenziellen Täter*innen im Netz zu unterstützen. Gute Sinnvolle Programme wie Hessen gegen Hetze müssen bundesweit ausgerollt und auch auf Bundesebene angegangen und umgesetzt werden.

5.      Demokratie wehrhaft machen

Unsere Demokratie muss systematisch geschützt werden. Brandenburg hat bereits 2013 vorgemacht, wie das gehen kann: Das Bundesland hat den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus in seine Verfassung geschrieben. Auch Sachsen-Anhalt hat seine Verfassung um das Staatsziel des Antifaschismuses erweitert. Das muss nun auch auf Bundesebene passieren.  

Es ist an der Zeit, Antirassismus und Demokratieförderung als Staatsauftrag ins Grundgesetz mit aufzunehmen und umzusetzen. Gleichzeitig ist eine Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erforderlich, wie die Einführung des Verbandsklagerechts. Wir brauchen eine institutionelle Bekämpfung von Diskriminierung. Antidiskriminierungsgesetzte, wie in Berlin, müssen auf allen Ebenen geprüft und eingeführt werden. 

6.      Schutz für gefährdete Orte ausbauen

In der Folge von Hanau warnen Expert*innen vor Nachahmer*innentaten: Rechtsextreme würden durch den Anschlag inspiriert und motiviert, es dem Attentäter gleich zu tun. Bereits jetzt zeigt sich, dass die Expert*innen Recht behielten. Seit Hanau wurden bereits mehrere Shisha-Bars beschossen, der Vorsitzende des Moscheenverbands Ditib angegriffen und eine Moschee mit Hakenkreuzen beschmiert. Jüdisches Leben ist so bedroht wie seit Ende des zweiten Weltkrieges nicht mehr. Drohbriefe und Anfeindungen gegen Moscheen und Synagogen sind in Deutschland kein Einzelfall.

Orte, die migrantisch gelesen werden, sind besonders gefährdet. Deswegen gilt es, sie verstärkt zu schützen. Zudem müssen muslimische und jüdische Einrichtungen und ihre Repräsentant*innen in besonderem Maß geschützt werden. Sicherheitspolitische Maßnahmen können aber nur ein Teil der Antwort sein. Wir brauchen umfassende gesellschaftliche Konzepte und deren Umsetzung, damit migrantisch gelesene Menschen sich in jeder Situation sicher fühlen.

7.      Null Toleranz für Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden

Sicherheitsbehörden sind Teil des Problems. Die mehrfachen Drohschreiben an die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız wurden von einem Polizeicomputer aus dem Frankfurter 1. Revier verschickt. Stand August 2020, wurden in den vergangenen Wochen fast täglich Morddrohungen an Zivilist*innen, Aktivist*innen, Politiker*innen und Anwält*innen verschickt. Einige davon sind auf Abfragen in Polizeirevieren in Wiesbaden und Frankfurt zurückzuführen. Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei sind keine Einzelfälle, sondern strukturell ermöglicht. Sie münden in illegale Polizeigewalt und routinierte Polizeipraxen wie Racial Profiling. Dies gilt es strukturell zu bekämpfen. Rassistische Praktiken in Sicherheitsbehörden müssen sofort beendet werden. 



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