6. März 2017

LMV März 2017: Bedingungsloses Grundeinkommen – Konzept der Grünen Jugend Hessen



Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle: das steht für erhebliche Veränderungen in unserem Sozialsystem und für großen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft. Es lohnt sich aber dennoch, die Idee zu Ende zu denken und konkret werden zu lassen.
Wozu überhaupt ein Grundeinkommen?
Das bedingungslose Grundeinkommen ist umstritten. Innerhalb der Grünen genauso wie innerhalb anderer Parteien. Auch die Grüne Jugend Hessen hat schon mehrfach über das Bedingungslose Grundeinkommen diskutiert, dabei nehmen die Diskussionen jedoch inzwischen immer konkretere Form an.
Mit dem Grundeinkommen würden alle Mitglieder der Gesellschaft durch diesen Betrag ohne Unterscheidung zwischen „Bedürftigen“ und „Nicht-Bedürftigen“ an den Gesamteinnahmen der Gesellschaft beteiligt werden. Dabei darf man es, obwohl es diese wichtige Funktion natürlich erfüllt, aber nicht nur als Sicherung des Existenzminimums verstehen. In dieser Form besteht eine Grundsicherung bereits in Form von Arbeitslosengeld. Das Arbeitslosengeld unterliegt allerdings mehreren Limitierungen: Zum einen wird es lediglich an diejenigen ausgezahlt, die scheinbar nicht am Arbeitsleben teilnehmen. Zum anderen ist die derzeitige Ausgestaltung dergestalt, dass Menschen, die ALG II erhalten, nicht an der Gesellschaft teilhaben können. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde das bisherige System der Grundsicherung und weitere Sozialleistungen ersetzen.
Das BGE ist im Gegensatz zur Grundsicherung auch als Befähigung zu einem selbstbestimmten Leben zu verstehen. Das BGE befreit Menschen von dem Zwang, für ihren Lebensunterhalt bis zur Rente zu arbeiten. Den Bürger*innen stünde es frei, ob sie für einen Zusatzverdienst arbeiten wollen, sich einige Jahre nur der Familie widmen oder sich beispielsweise in kreativen Projekten oder ehrenamtlichen Tätigkeiten verwirklichen. Auch wäre es möglich bspw. die Lohnarbeitszeit zu reduzieren, um sich diesen anderen wichtigen Formen von Arbeit zu widmen. Es gäbe keine Abhängigkeit von einer*m gut verdienenden Ehepartner*in oder einer bestimmten Arbeitsstelle: Existenzängste und psychische Krankheiten nähmen ab; die Selbstbestimmtheit der Arbeitnehmenden würde gefördert; Freiraum für kreative Ideen würde geschaffen.
Durch ihre Unabhängigkeit ist auch das Risiko der Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen erheblich gesenkt. Menschen könnten sich mehr mit ihrer Tätigkeit identifizieren, da es Arbeit zur reinen Existenzsicherung gar nicht mehr gäbe. Damit würden auch wichtige soziale, in der Regel aber leider schlecht bezahlte, Berufe eine Aufwertung erfahren. Das Angebot von Tätigkeiten wie Kindererziehung, Alten- oder Krankenfürsorge könnte für die Gesellschaft besser zugänglich werden, da Menschen durch das BGE ermöglicht wird, sich zu engagieren und ihre Fähigkeiten der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, ohne sich Sorgen um die eigene materielle Grundsicherung machen zu müssen. Auch die Stigmatisierung von Sozialhilfempfänger*innen und die geringe Wertschätzung von nicht erwerbsmäßig verrichteter Haus- und Pflegearbeit würden sich ändern.
Schon jetzt sind mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Gesellschaft vom Einkommen anderer bzw. von Sozialversicherungssystemen abhängig. Im Zuge der voranschreitenden Rationalisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen und in Zeiten des Warenüberangebots wird immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt, um die grundlegende Produktion zu decken. Vollzeitbeschäftigung zur Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts ist somit ohnehin ein Auslaufmodell. Ein immer komplizierteres, aufgebauschtes Sozialleistungssystem ist die Folge; es werden unendlich viele Konzepte für soziale Transferleistungen oder unsinnige Alternativen wie Kurzarbeit und Minijobs entwickelt, damit sich die Nicht-Vollzeitbeschäftigten über Wasser halten können ohne aufgrund fehlender Arbeitsplätze in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Das derzeitige System arbeitet in diesem Rahmen mit Bedarfsprüfungen, die oft zu menschenunwürdigen Überprüfungen und Kontrollen führen und die Leistungsempfänger*innen unter generellen Missbrauchsverdacht stellen. Dadurch entsteht außerdem eine wuchernde Bürokratie für Organisation, Verwaltung und Kontrolle aller Transferleistungen in unserem heutigen Sozialsystem. Das BGE würde jede*r einfach bekommen, weil er oder sie ein Mensch ist und damit das Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat. Jegliche Kontrollmaßnahmen, Sanktionen und Verwaltungssysteme würden also nicht mehr gebraucht.
Nicht zu vernachlässigen bei der Finanzierungsfrage sind daher auch die finanziellen Einsparungen durch den Wegfall zahlreicher bürokratischer Institutionen, die sich mit der Verwaltung der mehr als einhundert verschiedenen Sozialtransfers in Deutschland beschäftigen. Zudem ist in Zusammenhang mit der Finanzierung noch zu betonen, dass bereits heute fast jede*r eine Art Einkommen vom Staat bekommt. Kinder erhalten Kindergeld, Rentner*innen Rente, Arbeitslose Arbeitslosengeld und Menschen, die Steuern zahlen, erhalten Grundfreibeträge, damit das Geld, das sie für grundlegende, die Existenz sichernde Aufgaben leisten, unversteuert bleibt. All diese Beträge werden durch das BGE, allerdings – und das ist wichtig – nur bis auf die festgelegte Höhe des BGEs, ersetzt. Außer dem Betrag, der über die Höhe der jetzigen Sozialleistungen hinausgeht, muss die Finanzierung des BGEs natürlich noch die Kosten für die Menschen tragen, die bisher beispielsweise durch besser verdienende Familienangehörige kein Einkommen oder keine Sozialleistungen bezogen haben.
Das Grundeinkommen als negative Einkommenssteuer
Das Grundeinkommen biete viele potenzielle Modelle. Die Grüne Jugend Hessen schlägt das folgende Modell vor:
Allen Bürger*innen stehen monatlich 1000€ Grundeinkommen zu, egal ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Kindern stehen 500€ zu. Als erwachsen können an der Stelle auch diejenigen gelten, die nicht mehr im Elternhaus wohnen. Im Gegensatz zum ursprünglichen Ansatz des BGEs sollen die Beträge bei den Steuerzahler*innen nicht ausgezahlt werden. Stattdessen sollen sie in Form einer negativen Einkommenssteuer verrechnet werden. Die Einkommenssteuer soll für alle auf 50% erhöht werden. Bei jenen mit hohem Einkommen hat dies einen großen Einfluss, bei jenen mit niedrigem Einkommen sind die effektiven Steuern geringer als aktuell. Ein Beispiel: Verdient man aktuell 10.000€ im Monat, versteuert man diese mit 50%, also bleiben 5.000€, zuzüglich 1000€ Grundeinkommen verbleiben vom Einkommen 6000€. Verdient man hingegen 2000€ würde man genau so viel Grundeinkommen erhalten wie man Steuern zahlen müsste, so dass die gesamten 2000€ erhalten blieben und man effektiv keine Einkommenssteuer zahlen müsste. Bei der Verrechnung folgt für Menschen mit Einkommen unter 2000 Euro eine Rückzahlung bzw. eine Auszahlung des Grundeinkommens. Da somit Geld erstattet wird, nennt man das Modell negative Einkommenssteuer.
Wir wollen, dass alle dort leben können wo sie leben möchten, deshalb soll es die Möglichkeit geben, zusätzlich zum Grundeinkommen noch Wohngeld zu beantragen. Dies wird in Einzelfallprüfung bearbeitet und ggf. gewährt.
Das BGE soll auch für Rentner*innen gelten und so Altersarmut verhindern. Erwerbstätige haben darüber hinaus die Möglichkeit, freiwillig in ein Rentensystem einzuzahlen, wenn sie im Alter mehr Geld als das BGE zur Verfügung haben möchten.
Das Grundeinkommen wird allen in der BRD lebenden Menschen ausgezahlt, unabhängig von der Herkunft oder des Aufenthaltsstatus, da wir allen in Deutschland wohnenden Menschen eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen möchten.
Das Grundeinkommen ist eine wichtige sozialpolitische Forderung. Man darf es aber nicht isoliert betrachten: Solange noch kein BGE-Modell eingeführt ist, muss sich zum Beispiel das Ehegattensplitting in Zukunft auf Kinder konzentrieren, um Menschen mit Kindern steuerliche Begünstigungen zu ermöglichen. Es darf nicht wie bislang auf Ehen fokussiert sein. Gleichzeitig wollen wir die Grüne Bürger*innenversicherung vorantreiben.



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