6. März 2017

LMV März 2017: Für eine demokratische Türkei!



Hayir (Nein!) zum Verfassungsreferendum in der Türkei! Gegen Propaganda-Veranstaltungen Erdogans

Die GRÜNE JUGEND Hessen positioniert sich gegen das Verfassungsreferendum in der Türkei und solidarisiert sich mit den dort inhaftierten Journalist*innen. Gleichzeitig sprechen wir uns gegen einen Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland aus.

Nein (Hayir) zum Verfassungsreferendum!

Am 16. April wird in der Türkei über ein Verfassungsreferendum entschieden, das maßgeblich vom autoritären Präsidenten Erdogan und seiner AKP auf den Weg gebracht wurde. Die türkischen Bürger*innen werden darüber entscheiden, ob die Türkei Abstand von der demokratischen Gewaltenteilung nimmt und zu einem Präsidialsystem mit autoritärem Charakter umgebaut wird. Der türkische Präsident könnte als direkt gewählter Volksvertreter, der das Amt des Ministerpräsidenten und des Präsidenten auf sich vereinigt, Gesetze erlassen, die gelten bis das Parlament ein anderes Gesetz zu dem Thema erlassen hat, Richter*innen und Minister*innen ohne Zustimmung des Parlaments ernennen, das Parlament auflösen und er wäre Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Dies käme natürlich in erster Linie dem amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zugute. Anders als beispielsweise in den Vereinigten Staaten, die ebenfalls ein Präsidialsystem haben, gäbe es daneben nahezu keine parlamentarischen Kontrollmechanismen mehr. Schon jetzt besteht eine enorme Machtasymmetrie zwischen der Regierung und der Opposition. So kontrollieren Erdogan, AKP und MHP einen Großteil der Medien und bekämpfen konsequent oppositionellen Journalismus. Zudem werden die staatlichen Ressourcen zu Propaganda-Zwecken genutzt. Diese Gleichschaltung der politischen Akteur*innen muss verhindert werden. Die GRÜNE JUGEND Hessen solidarisiert sich mit der Hayir-Bewegung und spricht sich gegen die Annahme des Referendums aus.

Bedeutung für Menschen mit der türkischen Staatsbürgerschaft in Deutschland

1,4 Millionen Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft leben in Deutschland und sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Bei der Parlamentswahl 2015 wählten knapp 60% der Wähler*innen (gesamt: 570.000) die Regierungspartei AKP. Dies ist im Vergleich zur Türkei, wo die AKP 49% holte, ein deutlich höheres Ergebnis und das höchste Ergebnis der Exiltürk*innen in allen europäischen Ländern.

Dies hat auch die türkische Regierung auf dem Schirm. So trat am 18. Februar der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim vor 10.000 Menschen, die mehrheitlich Nationalist*innen waren, in Oberhausen auf. Die Organisator*innen schlossen einige Journalist*innen aufgrund früherer regierungskritischer Statements von der Veranstaltung aus und untermauerten so die Einstellung der Anhänger*innen Erdogans gegenüber der Presse.

Die GRÜNE JUGEND Hessen kritisiert den immer stärker aufkommenden türkischen Nationalismus und zeigt sich irritiert darüber, dass so viele Menschen ein Regime wählen, dass so undemokratisch und autoritär agiert.

Gleichzeitig sprechen wir uns gegen einen Auftritt Erdogans in Deutschland aus. Dieser dient einzig und allein dazu, Propaganda für die das aktuelle türkische Regime und Hass gegen den Westen und Minderheiten in der Türkei zu schüren.

Freiheit für alle inhaftierten Journalist*innen – Free Deniz

In der Türkei waren zum 01. Dezember 2016 81 Journalist*innen inhaftiert, so viele wie in keinem anderen Land auf der Welt. In dem meisten Fällen handelt es sich dabei um Vertreter*innen oppositioneller Medien, die vom Erdogan-Regime mundtot gemacht werden. Die Inhaftierten werden dabei aufgrund von vorgeschobenen oder konstruierten Vorwürfen verurteilt und können nicht auf ein faires Gerichtsverfahren hoffen.

Am 14. Februar wurde zudem Deniz Yücel, aktuell Türkei-Korrespondent für „Die Welt“, inhaftiert und in Untersuchungshaft genommen. Die Begründung ist so fadenscheinig wie absurd. So lautet der Vorwurf Terrorverdacht, weil er angeblich am Hackerangriff auf das E-Mail-Postfach des Energieministers Berat Albayrak, dem Schwiegersohn Erdogans, beteiligt sein soll.

Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert die Freilassung von Deniz Yücel und allen eingesperrten Journalist*innen!

Trotz Deals mit Erdogan, Menschenrechte in der Türkei einfordern

Die Europäische Union, federführend die Bundesrepublik Deutschland, handelte auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung aus den arabischen Ländern einen Deal mit der Türkei aus: Türkische Staatsbürger*innen erhalten VISA-Erleichterungen für die Europäische Union, im Gegenzug wehrt die Türkei alle flüchtenden Menschen an der süd-östlichen Grenze der EU ab, unter anderem aus den Bürgerkriegsländern Irak, Afghanistan und Syrien. Im Rahmen des sogenannten „Migrationspaktes“ zwischen der EU und der Türkei hat sich die Türkei dazu verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten und fungiert als sicherer Drittstaat. Dadurch haben die flüchtenden Menschen keine legale Möglichkeit in die EU einzureisen und leben in türkischen Lagern teils unter schlimmsten Bedingungen. Berichte von Amnesty International sprechen von Massenabschiebungen an den türkischen Grenzen zurück in die Herkunftsländer, darunter seien auch immer wieder unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Zudem gibt es Berichte, wonach türkische Soldat*innen syriche Flüchtlinge zur Grenzsicherung erschossen haben sollen. Die europäische Kritik an Menschenrechtsverletzungen in der Türkei hat jedoch seit dem Abschluss des Flüchtlingsdeals massiv abgenommen. Der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei geht demnach zulasten von Menschenleben und dem Schutz von hilfsbedürftigen Menschen.

Auch der Umgang mit den kurdischen Menschen ist fern von jeglichen Menschenrechten. So werden demokratisch gewählte Abgeordnete der kurdischen Partei HDP inhaftiert, große Teile der kurdischen Gebiete im Südosten wurden systematisch zerstört und zahlreiche Menschen durch Gewaltanwendungen der türkischen Sicherheitskräfte verletzt oder getötet.

Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert alle offiziellen deutschen Stellen auf, die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei einzufordern. So angebracht die Kritik an den Einreiseverboten Trumps gewesen ist, gibt es diese ebenfalls und dauerhaft in der EU. Die Türkei kann nicht als sicherer Drittstaat betrachtet werden, da selbst die basalen Grund- und Menschenrechte nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr bedarf es legaler Einreisemöglichkeiten für Menschen aus Bürgerkriegsländern.

Verflechtung der türkischen Regierung mit DITIB aufklären

Die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) ist ein türkischer Kulturverein, der in Deutschland jahrelang als Partner für Integrationspolitik fungiert hat. Neben der Ausbildung von Imanen ist DITIB in Hessen für die Inhalte des schulischen Islamunterrichts zuständig. Er ist an das türkische Ministerpräsidentenamt angegliedert. In den letzten Monaten kam der Verdacht auf, dass Funktionär*innen von DITIB im Auftrag der türkischen Regierung regierungskritische Mitglieder ausspionieren und die Informationen an den türkischen Geheimdienst weitergeben. Zudem bleiben antisemitische Äußerungen innerhalb des Verbandes unwidersprochen.

Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert daher die Landesregierung auf, die Zusammenarbeit auszusetzen, solange das Verhältnis zur türkischen Regierung nicht geklärt ist. Auch die Mitgliedschaft DITIBs im Hessischen Verfassungskonvent sollte pausiert werden. Falls sich herausstellen sollte, dass die Strukturen gezielt dafür eingesetzt werden, die undemokratischen Entwicklungen des politischen Systems in der Türkei zu rechtfertigen, muss über ein Verbot nachgedacht werden.

Zudem kritisiert die GRÜNE JUGEND Hessen, dass ein Regime mit islamistischen und antidemokratischen Tendenzen über die Inhalte des Islamunterrichts an Hessischen Schulen mitentscheiden darf.

Graue Wölfe und türkische Faschist*innen bekämpfen

Die Grauen Wölfe sind eine faschistische Bewegung, die für ein monokulturelles und groß-türkisches Reich einstehen. Ihre Ziele und Methoden sind mit dem Grundgesetz der BRD nicht vereinbar. In den vergangenen Monaten ist ein Erstarken der Grauen Wölfe (türkische Faschisten – MHP in Deutschland) zu erkennen, unter anderem indem Druck auf Veranstalter*innen ausgeübt wurde, die auf das Leid der kurdischen Bevölkerung aufmerksam machen wollten. Gleichzeitig kann man immer häufiger Logos der Organisation auf pro Erdogan und türkisch-nationalistischen Demonstrationen und in sozialen Medien erkennen.

Auch hier gibt es eine enge Verbindung zur türkischen Regierung. So zeigte Yildirim zuletzt im Parlament den Wolfsgruß, ein spezifisches Erkennungszeichen der Grauen Wölfe. Die MHP zeichnet sich dadurch aus, dass sie in der Türkei Minderheiten und Oppositionelle bekämpft. Aber auch in Deutschland agiert sie gewalttätig: Bereits heute machen Graue Wölfe in einigen Großstädten Jagd auf Minderheiten, wie zum Beispiel Kurd*innen.

Die GRÜNE JUGEND Hessen spricht sich daher für ein Verbot der Grauen Wölfe und ihrer Symbole in Hessen aus.

Zudem bedarf es eines Präventions- und Aussteigerprogramms für türkische Faschist*innen in Hessen. Die aktuellen Programme decken diesen Bereich nicht ab. Gerade in den türkischen Communities muss durch stetige Sozialarbeit dem türkischen Nationalismus und der Ablehnung von Demokratie entgegengewirkt werden.



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