8. Oktober 2025

Alterserhöhung? Here we go again!



Die Memes sind ready und die Farbe auf dem Banner ist getrocknet, denn es ist wieder so weit: Wir debattieren erneut über die Anhebung des Höchstalters auf 29 Jahre. Ja, wir wissen, diese Debatte gehört nicht zu den beliebtesten, aber mit diesem Papier möchten wir euch einige Pro-Argumente und Gedankengänge aufzeigen. 

Es geht nur darum, dass die Mitgliedschaft mit Ende 29 endet, statt mit Ende 27. 

Es ist kein Geheimnis, dass wir als GRÜNE JUGEND und vor allem die GRÜNEN noch immer überwiegend weiß und akademisch geprägt sind. Das ist ein großes Problem. Ein großes und strukturelles Problem, was uns alle nachdenklich machen sollte. Gerade im Jahr 2024 haben wir eine große Anzahl an migrantisierten Mitgliedern verloren, während Menschen mit einer Ausbildung kaum den Weg zur GRÜNEN JUGEND finden.  Dabei sollte es doch klar sein: Wer über Antirassismus und Arbeitskämpfe auf einer theoretischen Ebene spricht, muss diese Haltung auch in den eigenen Strukturen verankern. Als solidarischer Verband gehört es zu unseren Aufgaben, mehr jungen Menschen den Zugang zu politischem Engagement zu ermöglichen. Es geht dabei, um die Frage, ob wir als zum größten Teil privilegierte Menschen unsere Räume für weniger Privilegierte Menschen öffnen wollen. Wir hoffen, die Antwort lautet: Ja, denn wir sind eine GRÜNE JUGEND für alle.

Eine GRÜNE JUGEND für migrantisierte Mitglieder und Arbeiter*innen

Wer sind die Mitglieder, die erst spät zur GRÜNEN JUGEND kommen und von der Erhöhung der Altersgrenze profitieren würden? Das hat die Verbandsumfrage im Jahr 2022, an der alle Mitglieder der GRÜNEN JUGEND teilnehmen konnten, klar gezeigt. Weiße Männer kommen am frühesten zur GRÜNEN JUGEND, migrantisierte FLINTA* und nicht-Akademiker*innen am spätesten. Natürlich ist es schwer, sich politisch in einem unbezahlten Ehrenamt zu engagieren, wenn man arbeiten gehen muss, um die Eltern finanziell zu unterstützen. Natürlich kann man nicht 20 Stunden pro Woche in einen Verband investieren, wenn man eine Ausbildung macht oder die akademisierte Sprache nicht versteht. Wenn man von politischen Räumen ausgeschlossen wurde, generationsübergreifende Diskriminierung verarbeiten muss oder einen Verband vorfindet, in dem niemand so ist wie man selbst, braucht es deutlich länger, um in der GRÜNEN JUGEND vielleicht doch eine politische Heimat zu finden. Wer dann mit Mitte 20 zu uns kommt, hat wenig Zeit, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen, wenn nach 2-3 Jahren die Mitgliedschaft schon wieder endet. 

Ein Beispiel aus Hessen: 2024 waren 72 % unserer Mitglieder im Migra-Rat (eine Vernetzungsgruppe für migrantisierte Mitglieder in Hessen) zwischen 26-29 Jahre alt. Ohne diese Mitglieder hätten wir im gesamten Landesverband nur eine Handvoll migrantisierter Mitglieder. Wir haben von sehr, sehr vielen Landesverbänden die Rückmeldung bekommen, dass sie kaum aktive migrantisierte Mitglieder haben. Das ist ein Zustand, den wir so nicht akzeptieren dürfen.

Wir möchten darauf reagieren und wollen mit einer Anhebung der Altersgrenze auf Ende 29 mehr Raum für unterschiedliche Lebensläufe schaffen. Der Einstieg in politische Arbeit verläuft nicht bei allen gleich. Das sollte uns allen bewusst sein. Nicht jede*r hat den direkten Zugang zu Jugendorganisationen. Manche sind mit 16 schon aktiv, andere kommen erst später dazu. Beides ist wertvoll und verdient Anerkennung und Platz in unserem Verband. Wir hoffen, dass die Förderung von migrantisierten Menschen und Menschen, die eine Ausbildung machen und anschließend berufstätig sind, euch und eurem Verband wichtig ist, denn wenn wir uns die aktuellen Zahlen anschauen, sehen wir einen großen Handlungsbedarf. Wir können so viele antirassistische Workshops halten wie wir wollen, ohne strukturelle Anpassung werden wir nicht vorankommen.

Eine GRÜNE JUGEND für jüngere Mitglieder

Wir haben in diesem Prozess mit vielen Mitgliedern geredet und ein Argument haben wir besonders oft gehört. Viele befürchten, dass gerade die jüngeren Mitglieder sich in einem Raum mit 29-Jährigen unwohl fühlen würden oder dass U18-Mitglieder systematisch benachteiligt werden.

Die Erfahrung aus Hessen zeigt auch: die allermeisten 28- und 29-Jährigen bei uns engagieren sich in der Regel entweder in der Mutterpartei oder haben keine Ämter in der GRÜNEN JUGEND. Sie sind passive Mitglieder, die tendenziell mehr Geld haben als Schüler*innen und höhere Mitgliedsbeiträge zahlen. Mit der Alterserhöhungen schaffen wir gerade für die 26- und 27-Jährigen Menschen eine Perspektive, sich weiterhin in ihrer Jugendorganisation engagieren zu können. Wir sprechen hier von Kontinuität. Die Ü27 Mitglieder, die dazu kommen sind in der Regel Personen aus marginalisierten Gruppen, das hat uns die Erfahrung in Hessen gezeigt, genau aus diesem Grund stellen wir den Antrag ja auch.

Wir können unsere Strukturen intersektional und solidarisch führen, ohne Personengruppen gegeneinander auszuspielen. Wenn Männer problematisch und grenzüberschreitend sind, müssen sie klare Konsequenzen erfahren. Sie einfach in die Mutterpartei zu schieben, wird unserer feministischen Grundhaltung absolut nicht gerecht. Wir fordern, dass Täter Konsequenzen bekommen: Wir schützen sie nicht, wir tolerieren sie nicht und schon gar nicht finden wir ihre Existenz weniger erträglich, weil sie ja „nur in der Mutterpartei“ sind. Nur weil wir denken, dass wir problematische Männer aus der GJ mit der Altersgrenze 27 raushalten, müssen migrantisierte Personen, Arbeiter*innen oder anderen marginalisierte Gruppen darunter leiden? Die Erfahrung zeigt auch, wer mit 29 problematisch ist, ist es auch schon mit 22 oder 25, d.h. Übergriffe und problematisches Verhalten machen doch nicht vor einer Altersgrenze halt.

Wir sind alle 20 Kreisverbände in Hessen durchgegangen und wir haben insgesamt 4 Vorstandsmitglieder, die zwischen 27 und 28 Jahre alt sind. 2 davon sind migrantisiert, die anderen 2 kommen aus dem ländlichen Raum. Und bevor die Frage kommt: Ja, alle Kreisvorstände sind bei uns quotiert, sonst dürfte der Kreisverband nicht existieren. Nichtsdestotrotz können Kreisverbände selbstverständlich auch eine U18 Quote für Vorstände auf KV-Ebene einführen. Aber die Analyse aus Hessen zeigt, dass weder unser Landesvorstand noch die Kreisvorstände mit Ü27 Leuten überflutet sind. Wir haben in Hessen schon lange die Altersgrenze bei 30 aber die Landesvorstandsmitglieder im Ü27-Bereich lassen sich von einer Hand abzählen, während wir in den letzten 10 Jahren 6 migrantisierte Sprecher*innen in der GRÜNEN JUGEND Hessen hatten, von denen die Hälfte 26-27 waren bzw. sind.  

Eine GRÜNE JUGEND für den linken Machtaufbau

Wir stehen an einem Wendepunkt in der Partei. Wollen wir weiter eine sogenannte “Realpolitik”, die mit Bauchschmerzen Menschen abschiebt, oder wollen wir uns endlich an einen linken Machtaufbau wagen?

Längere Mitgliedschaften ermöglichen es, Mitglieder strukturell auszubilden, politische Verantwortung zu übernehmen und die Verbandsarbeit zu professionalisieren. Mitglieder, die länger in der GRÜNEN JUGEND aktiv sind, können ihr Wissen gezielt in der Mutterpartei einbringen und so den Aufbau einer linken Basis nachhaltig stärken. Die Altersanhebung auf Ende 29 schafft strategische Vorteile für die langfristige politische Wirkung unserer Organisation. Gerade für den Übergang in die Mutterpartei kann man Mitgliedern in den letzten Jahren noch so einiges an Wissen und Skills mitgeben. Die GRÜNE JUGEND bietet nicht nur einen Einstieg in die politische Arbeit, sondern auch ein Umfeld, in dem man voneinander lernen, neue Fähigkeiten entwickeln und sich mit linken Ideen auseinandersetzen kann. 

Ein weiterer Punkt: die meisten Votenträger*innen der GRÜNEN JUGEND liegen in der Altersspanne zwischen 25 und 27 Jahren. Damit scheiden sie häufig bereits während ihrer ersten Legislaturperiode aus dem Verband aus. Eine Anhebung der Altersgrenze würde ermöglichen, diese politisch erfahrenen und gut vernetzten Mitglieder länger einzubinden, ihre Expertise im Verband zu halten und sie stärker in die strategische und inhaltliche Ausrichtung der GRÜNEN JUGEND einzubinden. So können wir linke Mehrheiten langfristig sichern und unseren Einfluss innerhalb der Gesamtpartei ausbauen.

Außerdem schlagen wir vor, die Mitgliedsbeiträge der Ü27-Jährigen gezielt an die APO-Länder zu verteilen. Eine gezielte Umverteilung der Mitgliedsbeiträge würde dazu beitragen, diese Ungleichheiten (auch wenn es nur minimal ist) zu verringern. Gerade in den APO-Ländern leisten viele junge Aktive beeindruckende politische Arbeit, über die wir sehr dankbar sind!



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