Lass rauchen
Von Benjamin Weiß
In Hessens einziger Jugendarrestanstalt in Gelnhausen soll das Rauchen für alle Insassen gesetzlich verboten werden. Die Verfassungsmäßigkeit darf bezweifelt werden.
Irgendwo in der Nähe von Gelnhausen, auf dem flachen Land, liegt die Jugendarrestanstalt Gelnhausen. Es ist kein Knast und doch wirkt er so. Schwere Gittertüren, blaue Uniformen, die Flügel der Gebäude heißen Trakte. Ich kann jeden rauchenden Insassen verstehen, der bei der ersten Berührung mit diesem Haus gedenkt, sich sofort eine anzünden zu wollen. In Gelnhausen sitzen Straftäter zwischen 14 und 21 Jahren. Delikte, wie der Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Erpressung, Nötigung und Körperverletzung spielen hier eine Rolle. Für ein Wochenende oder höchstens vier Wochen müssen Jugendliche hierher, bei denen die Richter eine Gefängnisstrafe noch vermeiden konnten. Ein Knast auf Dauer, der keiner ist, dennoch dem Insassen das Gefühl vermittelt, er wäre in einem. Dies soll dem Zweck dienen, ihn vor einer weiteren Karriere im richtigen Gefängnis zu bewahren. Die Einrichtung verfolgt damit einen präventiven Gedanken. Alles Weitere soll im hessischen Jugendarrestvollzugsgesetz (HessJAVollzG) geregelt werden, das bereits von der Landesregierung beschlossen und in den zuständigen Ausschüssen angehört wurde. Bislang galt dort die Jugendarrestvollzugsordnung des Bundes. Die Hausordnung der Jugendarrestanstalt regelt zurzeit das Rauchverbot, das auch für die Bediensteten gilt. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll das landeseigene Gesetz verabschiedet werden. Im Paragraph § 14 „Gesundheitsschutz und Hygiene“ des Entwurfs heißt es dort: „Das Rauchen auf dem Gelände der Einrichtung ist den Jugendlichen untersagt.“ Nun, es geht scheinbar um Jugendliche, also um Menschen, die noch nicht volljährig sind. Doch keine Story, verdammt, aber falsch gedacht. Offensichtlich wird das Rauchverbot für alle Insassen erst, wenn man sich die Begründung zum Paragraphen durchliest. Dort heißt es nämlich: „Satz 3 verbietet allen Arrestierten das Rauchen auf dem gesamten Gelände der Einrichtung. Dies dient dem Zweck, den Arrestierten einen umfassenden Schutz vor den gesundheitlichen Risiken des Rauchens zu bieten. Zum einen sollen die jugendlichen Arrestierten aus Gründen des Jugendschutzes vor den gesundheitlichen Folgen des Rauchens geschützt werden. Zum anderen soll auch den volljährigen Arrestierten die Möglichkeit eines rauchfreien Lebens aufgezeigt werden.“ Zur Raucherentwöhnung in den Jugendarrest, eine nette Dienstleistung. Es sind also keine organisatorischen Gründe, die gegen das Rauchen sprechen, es sind gesundheitliche Aspekte. Eine paternalistische Weltsicht wird durch dieses Gesetz manifestiert. Das Land Hessen weiß, wie du gesund leben kannst und darfst. Jeder, der raucht und schon mal damit aufgehört hat, weiß sehr genau, dass es mit vier Wochen nicht getan ist. Davon abgesehen, es kann einem Menschen, der volljährig ist, völlig egal sein, was Hessen über das Rauchen denkt. Es ist ihm gesetzlich erlaubt. Und da sind wir beim entscheidenden Punkt: der Verfassungsmäßigkeit. Der Gesetzesentwurf missachtet nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit, die im Grundgesetz verankert ist. Dort heißt es nämlich: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Das Grundgesetz erlaubt dem volljährigen Menschen nicht nur das Rauchen, es schützt ihn sogar vor einem verordneten Entzug, es schützt die Handlungsfreiheit. Ein Insasse sitzt auch nicht in einer Jugendarrestanstalt, weil er raucht, er sitzt wegen anderen schweren Delikten, die eine solche Haft unausweichlich macht. Das Rauchen ist nicht die Ursache für die Straffälligkeit. Der Fokus muss auf den Aspekten liegen, die zu einer Tat geführt haben. Ganz gleich, was die eigentlichen Gründe sind, die das Rauchverbot möglicherweise notwendig oder unausweichlich machen, ich lass mich gerne überzeugen, die aktuelle Begründung zum Gesetzesentwurf wirft jedoch große Fragen auf. Letztlich widerspricht der Gesetzesentwurf einer präventiven Drogenpolitik, für die wir GRÜNE stehen, für die es zahlreiche positive Belege gibt, wenn wir beispielsweise nach Frankfurt schauen. Das Rauchverbot in den Jugendarrestanstalten verfolgt einen repressiven Ansatz. Das Verbot steht über allem. Ich muss nicht mehr erklären, wie sinnvoll dieser Ansatz ist, zahlreiche Cannabiskonsumenten sprechen für sich. Es geht aber auch um Menschlichkeit. Einem Insassen, der sich zweifellos in einer misslichen Lage befindet, für die er ganz allein verantwortlich ist, dem darf eines nicht verwehrt werden: die Zigarette zum Nachdenken.
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