19. November 2015

LMV März 2014: Für eine Aufarbeitung und Aufklärung der deutschen Chemielieferungen nach Syrien!



Seit 2011 herrscht in Syrien ein grausamer Bürger*innenkrieg zwischen der syrischen Armee und bewaffneten Aufständischen. Mindestens 150.000 Menschen kamen bisher dabei ums Leben. Mehrere Millionen Menschen sind aufgrund des Krieges auf der Flucht.
Während dieser Auseinandersetzungen wurden im August 2013 nachweislich Chemiewaffen gegen die syrische Bevölkerung eingesetzt. Bei dem Angriff starben verschiedenen Berichten zufolge vermutlich über 1400 Menschen. Die Vereinten Nationen brachten einen Untersuchungsbericht heraus, der den am 21.August 2013 in der Stadt Ghouta bei Damaskus stattgefundenen Chemiewaffeneinsatz überprüft. Dieser legt dar, dass die vielen Zivilist*innen (zu denen auch viele Kinder gehörten) durch das Nervengas „Sarin“ umkamen – auch in der Stadt Ghouta.
Zwar ist noch nicht geklärt, welche der unterschiedlichen syrischen Parteien für die jeweiligen Angriffe verantwortlich waren, doch stellt der UN-Bericht ganz klar dar, dass das Nervengas Sarin gegen Zivilist*innen eingesetzt wurde und dass dies eine hohe Opferzahl zur Folge hatte. Der Einsatz der Chemiewaffen kann, wie es der UN-Generalsekretär ebenfalls sieht, als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen eingestuft werden, der auch gegen das Protokoll von 1925, nämlich dem Verbot des Einsatzes giftiger Mittel in Kriegen, verstoßt.
Die Bundesregierung bestätigte im September 2013 in einer Reihe von Anfragen die Lieferung von Chemikalien und Chemikalienproduktionsanlagen nach Syrien. Diese fanden in den zurückliegenden Jahrzenten statt. Dabei verweist die Bundesregierung darauf, dass die Lieferungen vor der Ratifizierung des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) stattfanden. Die Bundesregierung besitzt die Namen der deutschen Unternehmen, die Bauteile, Produktionsanlagen, Vorprodukte und/oder Chemikalien nach Syrien geliefert haben. Syrien hat das CWÜ niemals unterschrieben.

Nach einer Recherche der Süddeutschen Zeitung und des NDR hat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) für die Bundesregierung mehr als 50 Lieferungen im Zeitraum von 1982 – 1993 nach Syrien zusammengestellt. Diese sollten für zwei Anlagen zum Bau von Vorstoffanlagen dienen, die für die Herstellung des Nervenkampfstoffes Sarin wichtig sind. Seit 1973 arbeitete Syrien an dem Bau Aufbau einer eigenständigen Chemiewaffenproduktion, um Sarin und Senfgas herzustellen.
Dabei war der Bundesregierung bewusst, dass die seit den 1970er und bis heute regierende Baath-Partei eine autoritäre und diktatorische Regierung in Syrien darstellte, die aggressiv gegen ihre eigene Bevölkerung vorgeht (wie beispielsweise 1982 mit dem Massaker von Homs,  bei dem 20.000 Menschen ums Leben kamen).
Die Vereinten Nationen haben im Februar erklärt, dass alles darauf hinweise, dass zumindest die in Ghouta eingesetzten Gefechtsköpfe Sarin enthielten, welches höchstwahrscheinlich aus Beständen der syrischen Armee stammte. Syrien hat der OPCW im Zuge der jetzt stattfindenden Abrüstung des Chemiewaffenarsenals mitgeteilt, dass sie deutsche Zulieferungen im Chemiewaffenprogramm verwendet haben – und Sarin war eben der zentrale Bestandteil dieses Programms. Damit ist zwar immer noch nicht geklärt, wer genau es eingesetzt hat. Aber es ist wahrscheinlich, dass auch deutsche Zulieferungen diesen schrecklichen Angriff überhaupt erst möglich gemacht haben.
Die Lieferungen nach Syrien kann man nicht einfach ignorieren und als Trivialität abtun. Es ist fahrlässig, einem Staat, welcher nicht der Konvention zum Verbot von Chemiewaffen beigetreten ist, Stoffe zu verkaufen, mit denen man ein Chemiewaffenarsenal aufbauen kann. Dies stellt für uns eine Beihilfe zum Kriegsverbrechen dar! Ähnliche Verfahren wie in den Niederlanden oder Frankreich gegen Einzelpersonen und Unternehmen, die aufgrund von Lieferungen an das damalige irakische Chemiewaffenprogramm wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen verantwortlich waren, laufen gerade. Denn Unternehmen, die einen Staat beliefern, um ein Chemiewaffenprogramm zu unterhalten, müssen für die Verbrechen auch gesetzesmäßig bestraft werden!

Daher fordert die Grüne Jugend Hessen:
• Die Bundesregierung soll die Namen aller Unternehmen preisgeben, die die o.g. Produkte an die syrische Regierung verkauft haben. Nur so kann eine vollständige Aufklärung garantiert werden!
• Die politischen Verantwortlichen, die diese Lieferungen damals überhaupt erlaubt haben, sollen ebenfalls namentlich genannt und mit den rechtmäßigen Konsequenzen zur Rechenschaft gezogen werden!
• Ein Verbot von Waffenlieferungen in Unrechtsregimen! Denn schon mehrfach war die deutsche Bundesregierung am Aufbau chemischer Waffenarsenale beteiligt (Irak und Libyen), was zu schrecklichen Massakern in den jeweiligen Ländern führte!
• Die Lieferung von Chemikalien, die zur Herstellung von Giftgas genutzt werden könnten, muss zukünftig an solche Länder ausgeschlossen sein, die die Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert haben.
• Die Bundesregierung muss eine Kommission einberufen, die diesen Vorfall genauestens untersucht!
• Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, dass sich die weiteren Mitgliedsstaaten der EU, die neben Deutschland ebenfalls an dem Aufbau des Chemiewaffenarsenals beteiligt waren (bspw. Frankreich), mit dem Fall auseinandersetzen und die verantwortlichen Firmen und Personen notfalls zur Rechenschaft ziehen!



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