6. März 2017

LMV März 2017: Bildung für alle – Vorschläge der Grünen Jugend Hessen für eine Änderung der hessischen Verfassung



Im Rahmen der Überarbeitung der Hessischen Verfassung im Verfassungskonvent schlägt die Grüne Jugend Hessen eine klare Verankerung des Rechts auf Bildung in der Hessischen Verfassung vor. Dabei möchten wir das realistische Ziel gebührenfreier und demokratischer Bildung in der Verfassung verankern.

Bildung(sziele) an heutige Zeit anpassen

In Artikel 56 sollte eindeutig das Recht auf Bildung in der Form „Jede*r hat das Recht auf Bildung“ eingeführt werden. Weiterhin sollten die Formulierungen umfassend aktualisiert werden.

Die Ziele von Bildung und Erziehung in der derzeitigen Verfassung atmen den Geist der Vergangenheit. Worte wie „Ehrfurcht“ und „Duldsamkeit“ passen nicht in unsere Zeit und erwecken den Eindruck der Erziehung der Schüler*innen zu Gehorsam statt zur mündigen Person.

Art. 56 Absatz 3 der Hessischen Verfassung sollte deshalb wie folgt neu gefasst werden:
„Bildung und Erziehung haben die Aufgabe, die Entwicklung der Persönlichkeit, selbstständiges Denken und Handeln, Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, Achtung vor der Würde, dem Glauben und den Überzeugungen anderer, Anerkennung der Demokratie und Freiheit, den Willen zu sozialer Gerechtigkeit, Friedfertigkeit und Solidarität und die Verantwortung für Natur und Umwelt zu fördern.“

Geschichtsunterricht im modernen Verständnis

Außerdem ist es wichtig, dass die besondere Bedeutung des Geschichtsunterrichts weiterhin erwähnt bleibt. Dabei schlagen wir statt der bisherigen personenorientierten Formulierung (bspw. soll über die Taten von „Wohltätern“ unterrichtet werden) folgende Formulierung für Absatz 5 vor:
„Der Geschichtsunterricht trägt zur kritischen Reflexion der Geschichte bei. Sozial-, Kultur- und Bewegungsgeschichte stehen neben der politischen Geschichte im Vordergrund. Nicht zu dulden sind Auffassungen, welche die demokratische Gesellschaft gefährden.“

Wir wollen mitgestalten! – Schüler*innen einbinden

In Absatz 6 sollte außerdem die Mitgestaltungsmöglichkeit für Schüler*innen definiert werden, nicht das Eingriffsrecht der Erziehungsberechtigten. Als junge Menschen möchten wir unsere Zukunft aktiv mitgestalten. Bildung muss mit den Betroffenen gemeinsam gestaltet werden.

Recht auf gebührenfreie Bildung

Der Artikel 59 zur Entgeltfreiheit des Bildungssystems muss auf neue Füße gestellt werden. Hierbei möchte die Grüne Jugend Hessen, dass auch in der Hessischen Verfassung das in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerte Recht auf unentgeltliche Bildung zum Ausdruck gebracht wird. Bildung, von der KiTa über Schulen und Hochschulen bis zum lebenslangen Lernen ist ein Menschenrecht, keine Ware. Bildung sollte allen – und abhängig vom Geldbeutel oder der Herkunft – zugänglich sein. Dies sollte auch die Hessische Verfassung klar verankern.

Dies soll wie folgt umgesetzt werden:
Als neue Version des Artikel 59 schlagen wir vor:
(1) Jedes Kind und jeder Erwachsene hat das Recht auf unentgeltliche Bildung und Ausbildung. Dieses Recht gewährleisten Staat, Gemeinden und Gemeindeverbände durch öffentliche Einrichtungen. Gewährleistet wird auch die Vielfalt öffentlicher Bildungseinrichtungen.
(2) In allen öffentlichen KiTas, Schulen und Hochschulen ist die Betreuung und der Unterricht unentgeltlich. Unentgeltlich sind auch die Lernmittel. Das Gesetz muss vorsehen, dass für Kinder sozial Schwächergestellter Finanz- und Sachleistungen bereitgestellt werden, so dass den Kindern kein Nachteil entsteht.
(3) Der Zugang zu den Schulen und Hochschulen ist unabhängig von finanziellen Voraussetzungen.

Religionsunterricht

Bereits jetzt sieht die Hessische Verfassung in Artikel 56 Absatz 2 vor: „An allen hessischen Schulen werden die Kinder aller religiösen Bekenntnisse und Weltanschauungen in der Regel gemeinsam erzogen (Gemeinschaftsschule).´“

Dem Geist dieser Regelung wollen wir weiter folgen, in dem statt eines konfessionell getrennten Religionsunterrichts ein allgemeiner Ethik- und Religionsunterricht eingeführt wird.
Dieser allgemeine Ethikunterricht soll sowohl die verschiedenen religiösen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen, als auch Philosophie und Lebensgestaltung beinhalten. Den Schüler*innen würde so die Möglichkeit gegeben, sich mit den verschiedenen Religionen auseinander zu setzen, dies jedoch unabhängig von einer eigenen Religionszugehörigkeit und direkt im kommunikativen Austausch mit ihren Mitschüler*innen. Daneben würde ein allgemeiner Ethikunterricht Raum für eine schrittweise Heranführung an philosophische und moralische (Grundsatz-)Fragen, an gesellschaftliche Werte- und Normen und deren omniperspektivische Betrachtung und den gemeinsamen Diskurs im Hinblick auf verschiedene gesellschaftliche Probleme und Konflikte, aber auch den Zusammenhalt innerhalb von Gruppen bieten.
Solange das Grundgesetz noch einen konfessionsorientierten Unterricht verlangt, kann dieser freiwillig außerhalb der allgemeinen Unterrichtszeit erfolgen. Dabei sollte hier keine Notenvergabe stattfinden und eventuell erfolgte anderweitige Bewertungen keinen Eingang in die Zeugnisse finden.

Wir schlagen folgende Formulierung für § 57 vor:
Art. 57 [Allgemeiner Religions- und Ethikunterricht]
(1) Der Allgemeine Religions- und Ethikunterricht ist ordentliches Lehrfach. Er wird nicht konfessionsgebunden zu allen religiösen Bekenntnissen unterrichtet.
(2) Der konfessionsorientierte Religionsunterricht ist ein freiwilliges Zusatzangebot. Die Lehrperson ist im konfessionsorientierten Religionsunterricht unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts an die Lehren und die Ordnungen seiner Kirche oder Religionsgemeinschaft gebunden.
(3) Diese Bestimmungen sind sinngemäß auf die Weltanschauungsgemeinschaften anzuwenden.



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