13. März 2020

LMV März 2020: Antifaschismus immer und überall



Keinen Millimeter nach rechts!

Ob jüdisches oder muslimisches Leben, ob bunt oder nicht, ob Frau* oder Mann*, wir als Zivilgesellschaft müssen jetzt solidarisch Schulter an Schulter stehen und dürfen keinen Millimeter Platz für Hetze lassen.

Wir sind eine Gesellschaft, die durch rechte Angriffe bedroht wird. Unsere Diversität ist unser Reichtum und wir lassen uns unsere Gesellschaftsvorstellung nicht kaputt machen. Wir alle müssen uns betroffen fühlen. Der Angriff auf unsere Mitmenschen ist ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass ein Nie wieder auch ein Nie wieder wird. Unsere Antwort auf Angst und Hetze ist Solidarität. Unsere Antwort auf Faschismus ist Demokratie!

Die rechten Terrorakte der letzten Monate und Jahre haben uns deutlich gezeigt, dass Rechtsextremismus in Hessen ein lang unterschätztes Problem ist und auf gar keinen Fall verschwiegen werden darf. Egal ob der Fall Walter Lübke, Wächtersbach oder der aktuelle Terroranschlag in Hanau. Bei rassistischen und faschistisch motivierten Taten handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. Jedoch blicken wir dabei auch über die Landesgrenzen hinweg und betrachten Fälle wie Halle, Chemnitz oder die „Gruppe S“, welche Anschläge auf 10 Moscheen planten, um Bürger*innenkriegsähnliche Zustände zu provozieren. Politisch aktive Menschen, Jüd*innen, Muslim*innen, Frauen*, queere Menschen und BIPoC, welche zu großen Teilen seit ihrer Geburt in Deutschland leben, sind die Zielgruppe der rechten Gewalt, egal ob psychisch oder physisch.

Die GRÜNE JUGEND Hessen distanziert sich von der Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Die Hufeisentheorie der „konservativen Mitte” sorgte seit Jahren für eine Relativierung rechtsextremistischer Gewalt und lies den Verfassungsschutz und Behörden auf einem Auge blind werden. Wir fordern eine vollständige und transparente Aufdeckung der rechten Strukturen und ein aktives Vorgehen gegen die häufig international agierenden Netzwerke.

Gemeinsam gegen Faschismus

Es kann nicht geduldet werden, dass sogenannte „Minderheiten“ nicht die gleichen Lebenschancen und -möglichkeiten haben, wie Bio-Deutsche. Es kann und darf auch nicht angehen, dass der Mehrheitsgesellschaft diese Terrorakte egal scheinen, denn auch sie ist letzten Endes von den freiheitsraubenden faschistischen Ideen und Anschlägen der radikalen Rechten betroffen. Um dagegen vorzugehen, brauchen wir ein breites gesellschaftliches Bündnis, welches aus der Zivilgesellschaft hervorgeht und jedem, welche mit NS-Sprache, faschistischen Ausschreitungen oder gar mit den Faschisten in der AfD oder in anderen Parteien selbst spielen, die rote Karte zeigt. Nur über die zivilgesellschaftliche Solidarität könnten die Lebenschancen der einzelnen Gruppen und letztendlich von uns allen gewahrt werden und der Faschismus in seine Schranken verwiesen werden. Diesen beständigen Kampf müssen wir führen: in den Parlamenten, auf den Straßen, in Bildungseinrichtungen, der Nachbarschaft und an den Arbeitsplätzen und überall sonst.

Wir kämpfen dafür, dass vor allem die aufgezählten Gruppen in der Gesellschaft sichtbar bleiben können, statt Sicherheit in der Stille suchen zu müssen und diese Lebensräume dann von rechtem Terror attackiert werden. Die GRÜNE JUGEND Hessen empowert diese marginalisierte Gruppen gegen ihren Kampf der Ungerechtigkeit in ihrem alltäglichen Leben.

Ein klares Nein zur Diskursverschieben

Rechte Gewalt, sowohl im Netz als auch in der Öffentlichkeit, dringt immer mehr in unseren Alltag. Sie ist kein neues Phänomen, welches wir jetzt neu thematisieren müssen, sondern sie ist, auf Grund verschobener Dialogsgrenzen, immer mehr salonfähig geworden.

Wenn wir über Hanau sprechen, dann müssen wir nicht nur über den klar rechts-rassistischen Terror sprechen, sondern auch den Umgang der mehrheitlichen Zivilgesellschaft beleuchten. Hierfür ist die mediale Berichtserstattung ein Sinnbild für jahrelange Ignoranz gegenüber Rechtem Terror. Dies belegen auch die Zahlen der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Denn, während sich Rechte Terrorzellen immer stärker organisieren, diskutiert unsere Medienlandschaft darüber, ob wir von Terror sprechen dürfen oder nicht. Schlimmer jedoch ist, im Kontext von Hanau, der Diskurs über ”Fremdenfeindlichkeit” oder ”Rassismus”. Indem wir von Fremdenfeindlichkeit reden, implizieren wir, dass die Opfer rechter Gewalt in unserer Gesellschaft fremd sind und reproduzieren damit rechte Weltanschauungen in unseren Diskurs. Für alle BIPoC (black, indigenous and people of color), die seit Generationen in Deutschland leben, ist der Begriff ”Fremdenfeindlichkeit” eine Beleidigung in ihrer deutschen Identität und wirft die Frage auf: Wann endlich ist man nicht mehr fremd? Es macht den Anschein, als hätte die deutsche Sprache offensichtlich 100 Wörter Nazi zu umschreiben, um ja nicht Nazi zu sagen! Wir als GRÜNE JUGEND Hessen fordern klare Worte und eine klare Haltung von Allen gegen Faschismus!

Die GRÜNE JUGEND Hessen – immer und überall antifaschistisch unterwegs

Die GRÜNE JUGEND Hessen versteht sich als Teil der antifaschistischen Bewegung. Das bedeutet in Zeiten des rechten Terrors mehr denn je, Flagge zu zeigen und sich lautstark gegen jegliche rassistische Kackscheiße aufzulehnen. Dies bedeutet für unsere Verbandsarbeit, dass wir auf Demonstrationen, wie beispielsweise gegen den Tag der deutschen Freiheit, Kundgebungen oder Mahnwachen durch eine organisierte Mobilisierung präsent und lautstark gegen rechts auftreten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die antifaschistische Bündnisarbeit, bei der unser Landesverband, sowie die Kreis- und Ortsverbände mit antifaschistischen Initiativen und -Organisationen in Kontakt treten und bleiben und sich durch organisierte Vernetzungen stärker in antifaschistische Belangen einbinden. Die GRÜNE JUGEND Hessen wird Antifaschismus als wichtigen Teil in all ihre Arbeitsprozesse mit einfließen lassen. Klar ist für uns: Antifaschistisches Arrangement bedeutet, sich gegen rechte Gräueltaten und Faschismus zu positionieren und zu organisieren!

Wir vergessen nicht!

Faschismus hat im letzten Jahrhundert zu Millionen von unschuldigen Todesopfern geführt. Neben den grausamen Verbrechen der NS-Zeit wurden auch in jüngster Zeit viele Menschen Opfer von rechtem Terror. Es handelt sich dabei nicht um Einzelfälle!

1980 verrichteten Rechtsextremisten einen Brandanschlag auf eine Übergangseinrichtung für geflüchtete Personen in Hamburg, bei der zwei geflüchtete Menschen aus Vietnam im Schlaf verbrannten. Im gleichen Jahr wurden in Erlangen ein Rabbiner und seine Lebensgefährtin auf brutale Art und Weise in ihrem Zuhause ermordet, Täter waren wieder Rechtsextremisten.
1991 griffen hunderte Rechtsextremist*innen ein „Vertragsarbeiterwohnheim“ und eine Geflüchtetenunterkunft in Hoyerswerda an, bei der nach Gewaltexzessen auch Molotowcocktails verwendet wurden, um die Häuser in Brand zu setzen. Teile der Zuschauer*innen applaudierten oder schauten tatenlos zu, bis die gewaltsamen Ausschreitungen nach einer Woche beendet wurden. Am darauffolgenden Wochenende kam es bundesweit zu 78 rassistischen Überfällen in Deutschland.
1992 wurde die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen und ein angrenzendes Wohnheim im sog. Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen von mehreren hunderten Rechtsextremist*innen und tausenden applaudierenden Zuschauer*innen über 4 Tage belagert und am letzten Tag mit Molotovanschlägen in Brand gesetzt, während rund hunderte Menschen und Familien im Haus eingeschlossen waren. Die Polizei schritt während diesen Ereignissen kein einziges Mal effektiv ein und konnte die Eskalation nicht verhindern, zog sich Zeitweise sogar völlig zurück.
Im gleichen Jahr folgte ein weiterer Brandanschlag in Möllen auf zwei Familien türkischer Herkunft, bei der 2 junge Mädchen und deren Großmutter in den Flammen verbrannten. Die Tat ging von zwei Neonazis aus. Im August desselben Jahres wurde in Düsseldorf ein Holocaustüberlebender in einer Senior*innenresidenz zu Tode misshandelt, der Täter war ein ehemaliger Wehrmachtssoldat.
Ebenfalls 1992 wurde eine jüdische Frau auf offener Straße im Frankfurter Westend von einem schwedischen Rechtsextremisten mit einem Kopfschuss hingerichtet.
Im darauffolgenden Jahr 1993 folgte ein rassistischer Brandanschlag durch 4 jugendliche Rechtsextremisten, die ein Mehrfamilienhaus mit Benzin in Brand steckten, um die darin liegenden Familien zu töten. Unter den Todesopfern waren 3 junge Mädchen und zwei Frauen, alle Opfer waren türkischer Abstammung.
Zwischen 2000 und 2007 ermordete der Nationalsozialistische Untergrund 9 Menschen mit einer Migrationsbiografie, eine Polizistin und verübten 43 weitere Mordversuche. Die Oper wurden bei Raubüberfällen oder durch Sprengstoffanschläge, meist auf türkische Schnellrestaurants auf grauenhafte Weise getötet. Der Staat versagte bei seinen verspäteten Aufklärungsversuchen und sorgte durch auffällige Schlampereien und Ungereimtheiten für ein hohes Maß an Misstrauen bei allen Hinterbliebenen und Teilen der Gesellschaft, unter anderem wurden die Akten für 100 Jahre unter Verschluss gestellt.
2015 verübte die rechtsterroristische Gruppierung Freital mehrere Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte und Geflüchtetenunterkünfte. Es stehen wiederum Vorwürfe bei dem Ermittlungserfahren seitens der Staatsanwaltschaft und der Polizeibehörden im Raum, ein Verdächtiger gab bei einem Verhör an, dass ein Beamter die rechtsterroristische Gruppierung vor Dursuchungsbefehlen warnte. Ein umfangreiches Netzwerk aus Helfer*innen und Nachbar*innen lagerte unter anderem Sprengsätze für die Terrorgruppe.
2019 wurde der Politiker Walter Lübcke, der sich für geflüchtete Menschen arrangierte, in seinem Garten mit einem Kopfschuss durch einen Rechtsextremisten hingerichtet.
Im selben Jahr versuchte ein Rechtsextremist am Jom Kippur in eine Synagoge in Halle zu stürmen und einen Massenmord an den mehr als 50 Jüd*innen auszurichten. Als er nicht hineinkam, richtete er eine Passantin und einen Gast in einem türkischen Schnellrestaurant hin. Im Februar diesen Jahres ermordete ein Rechtsextremist aus rassistischen Motiven 9 junge Erwachsene mit Migrationsbiografien zwei Shishabars und anschließend seine eigene Mutter.

Wir als GRÜNE JUGEND Hessen werden die Opfer der rechtsextremistischen Anschläge nie vergessen. Das Benennen der Namen der Opfer, sowie das Nicht-Vergessen der Geschichte begreifen wir als Teil unserer Aufgabe. We will say their names – Immer!
1. Ngoc Nguyen & Anh Lan Do
2. Shlomo Lewin & Frida Poeschke
3. Yeliz Arslan, Ayse Yilmaz & Bahide Arslan
4. Alfred Salomon
5. Blanka Zmigrod
6. Gürsün Ince, Hatice Genc, Gülüstan Öztürk, Hülya Genc & Saime Genc
7. Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides,Mehmet Kubasik, Halit Yozgat & Michele Kiesewetter
8. Walter Lübcke
9. Jana L. & Kevin S.
10. Fatih Saracoglu, Mercedes Kierpacz, Said Hashemi, Vili Viorel Paun, Hamza Kurtovic, Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov & die Mutter des Täters
Und noch Millionen weitere!

Beschlossen am 08.03.2020 auf der Landesmitgliederversammlung in Darmstadt.



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