13. März 2020

LMV März 2020: Neue „Grüne Gentechnik“ (Agrogentechnik) gehört nicht auf unsere Felder – das System ist das Problem!



Grüne Gentechnik, oder auch Agrogentechnik genannt, ist eine der meist diskutierten Thematiken in der landwirtschaftlich-politischen Diskussion. Neben der rein rationalen wissenschaftlichen Diskussion über Potentiale und Risiken der neuen Gentechniken gibt es auch eine sehr emotionale Debatte, die teils scharfe, teils unscharfe Trennlinien von Gegner*innen und Befürworter*innen aufweist.

Wir, die GRÜNE JUGEND Hessen, lehnen den Einsatz von alter, sowie neuer Gentechnik im landwirtschaftlichen Bereich ab. Dafür sind folgende Argumente ausschlaggebend. Die Argumente, welche für uns ausschlaggebend sind, gewichten wir stärker als die möglichen Potentiale, die Befürworter*innen dieser Techniken hervorheben:

Die neuen Gentechniken sind präziser und effizienter geworden, als die alten. Aber die suggerierte vollkommene Sicherheit der Technik ist schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Es gibt weiterhin viele Off-Target-Effekte, also Effekte, die Stellen der Genome auftreten, die nicht von den Verfahren betroffen sein sollten. Die möglichen Off-Target-Effekte, und auch die On-Target-Effekte, sind anders zu bewerten als die klassischer-bäuerlicher Züchtungsarbeit, da das Potential der eingesetzten Genvielfalt deutlich größer ist.

Unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass Gentechnik einen negativen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben könnte, muss beachtet werden, dass es keine Langzeitstudien für Menschen gibt. Durch die erst „kurzfristige“ Entwicklung der neuen Züchtungsmethode ist dies nicht möglich. Bisher gibt es nur Studien an kleineren Säugetieren (z.B. Ratten und Mäusen) über verhältnismäßig kurze Zeiträume (bspw. 90 Tage). Diese können nicht darstellen, in wie weit menschliche und tierische Organismen durch GMO-Nahrung beeinflusst werden.

Es ist zwar theoretisch korrekt, dass die Möglichkeiten der neuen Gentechniken sehr vielfältig sind. Es ist bspw. denkbar, dass die Wurzeln verändert werden können, um die Phosphoraufnahme zu verbessern, aber rein praktisch spielen solche Ideen weniger eine Rolle. Bei den alten Gentechniken, die zwar prozessmäßig anders, aber von der Zielsetzung gleich funktionieren, konnte man sehen, dass hauptsächlich zwei Eigenschaften bearbeitet wurden: Herbizidtoleranz (z.B. gegen Glyphosat) und Aufnahme von Bt-Genen (z.B. kann die Pflanze eigenständig Insektizide produzieren). Oft traten sie auch in Kombination auf. Diese Eigenschaften dominieren das gesamte Feld der gentechnischen Veränderungen an Pflanzen massiv. Wir bezweifeln, dass sich die Interessensfaktoren bei den neueren Züchtungsmethoden verändern.

Oft wird angeführt, dass die neuen Gentechniken zu einer Demokratisierung der Gentechnikanwendung führen. Denn sie sind einfacher in der Handhabung und vor allem günstiger. Dadurch konnten bspw. Start-Ups an Gentechnikprodukten arbeiten, die vorher von solchen Ansätzen ausgeschlossen waren. Nun zu glauben, dass sich der agrochemische Markt diversifiziert und so die Macht der großen Konzerne gebrochen wird, ist unrealistisch. Der agrarchemische Markt wird von vier großen Konzernen (nach einigen Megafusionen der letzten Jahre, z.B. Bayer-Monsanto) dominiert, die sich einen Großteil der weltweiten Produktion an Saatgut und Pestiziden aufteilen. Es ist deutlich wahrscheinlicher, dass die großen Unternehmen, die kleinen Start-Ups schlucken. Innovationen, die dem agroindustriellen System dienen, werden dann aufgenommen, und die, die für agrarökologische Zwecke dienlich wären, werden das Licht der Öffentlichkeit vermutlich nie sehen. Der Markt ist zu konzentriert, als dass die Macht und die Abhängigkeit von den großen Unternehmen gebrochen werden könnten, ohne sie zu zerschlagen. Und da dies alles andere als wahrscheinlich ist, gerade da es multinationale Konzerne sind, die rechtlich viel schwieriger zu greifen sind als nationale, muss man sich über die Konsequenzen einer Liberalisierung des Gentechnikrechts im Klaren sein.

Es gibt zuweilen Vorschläge, Gentechnik durch progressive Regulierungen schritt- oder teilweise einzuführen. Die Agrarlobby ist unglaublich stark, sowohl in Brüssel als auch in Berlin. Wenn über eine Lockerung im Gentechnikrecht debattiert wird, wird sich niemals eine Position durchsetzen können, die nur die öffentliche Bereitstellung oder ähnliches erlaubt. Kommt die gentechnische Liberalisierung, dann kommt sie intensiv und ungebremst.

Wir bestreiten nicht, dass es theoretische Potentiale dieser Technik gibt. Diese halten wir dennoch nicht für praxisnah oder -relevant. Für die Anpassung an den Klimawandel gibt es bessere Maßnahmen, die Landwirt*innen nicht noch mehr in die Abhängigkeit großer Konzerne drängen, zudem noch viele Ökosystemdienstleistungen erzielen können und inputärmer sind. Die großen Player dieses Systems werden nicht diejenigen sein, die die Landwirtschaft nun vor dem Klimawandel retten werden. Und auch Hunger hat andere Ursachen als fehlendes ‚High-End-Saatgut‘. Die Hungerdebatte ist für die politische Diskussion über die Anwendung Grüner Gentechnik nicht relevant, derzeitige Berichte sprechen von einer Nahrungsmittelüberproduktion. Die sinnvolle und richtige Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel könnte dieses Problem, im Gegensatz zum Einsatz von Gentechnik, lösen.

Wir wollen die Freiheit der Wissenschaft wahren und Forschung mit gentechnischen Methoden weiterhin möglich machen. Wir stellen uns auch nicht gegen Innovationen und Wissenschaft, die einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten. Im aktuellen System sehen wir aber keine Möglichkeiten, diese ohne Nachteile, einzusetzen.

Zusammenfassung der Forderungen:

  1. Die GRÜNE JUGEND Hessen lehnt alle Anwendungen von Agrogentechnik ab.
  2. Wir fordern, dass auch weiterhin das Mindestmaß an gesetzlichen Forderungen zur Regulierung und zum Monitoring bei gentechnisch veränderten Pflanzen eingehalten werden.
  3. Wir fordern und brauchen einen Wandel im Agrarsystem, hin zu mehr agrarökologischen Maßnahmen.
  4. Die transparente und unabhängige Forschung zu Gentechnik soll weiterhin erlaubt bleiben, um die Risiken besser einschätzen zu können.

Beschlossen am 08.03.2020 auf der Landesmitgliederversammlung in Darmstadt.



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