19. November 2015

LMV November 2013: Das Prostitutionsgesetz reformieren, nicht abschaffen!



90 Prominente – allen voran Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer – haben einen Appell unterschrieben, in dem sie pauschal die Abschaffung der Prostitution fordern. Für die Grüne Jugend Hessen ist dieser Appell nicht zielführend.
Eine Abschaffung von Prostitution wird nicht gelingen. Stattdessen werden Frauen und Männer die sich prostituieren in prekäre und illegale Arbeitsverhältnisse gedrängt und gesellschaftlich diffamiert. Ein Verbot der Prostitution wird die Armut in der sogenannten „Armutsprostitution“ nicht abschaffen. Deshalb fordert die Grüne Jugend Hessen eine Reformierung des Prostitutionsgesetzes, statt es umzukehren.
Menschenhandel ist ein Verbrechen. Die Grüne Jugend Hessen will die Situation der Opfer von Menschenhandel nicht leugnen und erkennt an, dass es ein Problem mit organisiertem Menschenhandel gibt. Dieser ist vor allem durch das Armutsgefälle (in Europa) angetrieben. Prostitution ist aber nicht die Ursache von Menschenhandel und ihr Verbot nicht die Lösung dafür.
Hierbei sind außerdem begriffliche Unterscheidungen notwendig: Prostitution, Menschenhandel, Sklaverei und Gewalt sind nicht das gleiche. Egal, wie häufig anderes suggeriert wird. Es gibt Frauen und Männer, die für sich in Anspruch nehmen, aus eigener Entscheidung in der Prostitution oder in anderen Bereichen der Sexindustrie zu arbeiten. Sie tun dies sicherlich meist aus einer (finanziellen) Notwendigkeit heraus. Diese Notwendigkeit entspricht aber nicht automatisch einem Zwang. Prostituierte, egal welcher Herkunft, pauschal zu Opfern zu erklären, spricht ihnen ihre Selbstbestimmungsrechte ab und ist ein Akt der Diskriminierung. Das ist für die Grüne Jugend Hessen nicht hinnehmbar. Eine undifferenzierte und populistische Forderung wie die von Alice Schwarzer richtet in der Praxis mehr Schaden als Nutzen an.

Prostitution gilt im Volksmund als das älteste Gewerbe der Welt. Doch in den allerwenigsten Ländern ist sie als Arbeit anerkannt. Im Gegenteil: Sexarbeiter*innen werden in den meisten Teilen der Erde verfolgt, illegalisiert und gesellschaftlich geächtet. Um Prostitution zu entkriminalisieren und beruflich anzuerkennen, hat die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2002 das Prostitutionsgesetz eingeführt. Durch die rechtliche Anerkennung von Sexarbeiter*innen hat sich ihre Situation verbessert. So können sie beispielsweise ihren Lohn einklagen und haben die Möglichkeit, sich zu versichern. Außerdem ist die Schaffung angenehmer Arbeitsbedingungen und Räumlichkeiten nicht mehr als ”Förderung der Prostitution” strafbar. Nun in die rechtliche Unsicherheit zurückzukehren, kann nicht die Forderung sein. Dennoch hat das Prostitutionsgesetz fraglos Reformbedarf sowohl im Bereich der legalen Prostitution wie auch beim Menschenhandel. Dies erkennen wir als Grüne Jugend Hessen an. Wer die Rechte und den Schutz von Sexarbeiter*innen stärken will, muss für eine Reform und nicht für die Abschaffung des Gesetzes einsetzen.

Für die Grüne Jugend Hessen liegt die Lösung auch nicht in der Kriminalisierung der Kund*innen, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das sogenannte „Schwedische Modell” hat zwar die sichtbare Straßenprostitution verdrängt, aber weder die Prostitution an sich, noch den Menschenhandel nachweislich reduziert. Die Arbeitsbedingungen haben sich indes extrem verschlechtert.
Für die Reformierung des Prostitutionsgesetzes gibt es bereits vielfältige Vorschläge. So hat Bündnis 90 / Die Grünen beispielsweise vorgeschlagen, Prostitutionsbetriebe rechtlich als Gewerbebetriebe zu definieren. Damit unterliegen sie der Gewerbeaufsicht. Hygienische, soziale und rechtliche Vorgaben wären so durch Behörden kontrollierbar und durchsetzbar. Dies würde die Arbeitsbedingungen konkret verbessern. Menschenhandel könnte zudem leichter aufgedeckt werden. Leider hat die Bundesregierung diese Maßnahmen bisher abgelehnt.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Umsetzung in den Rechtsbereichen auf Landes- und Kommunalebene. Hier sind noch immer viele Regelungen in Kraft, die Prostituierte diskriminieren. Auch hier muss angesetzt werden.

Für eine bedarfsorientierte Reformierung des Prostitutionsgesetzes müssen Sexarbeiter*innen und ihre Verbände in den politischen Prozess einbezogen werden. Zudem muss auf Aufklärung statt Zwang und Verbot gesetzt werden. Es muss Schluss sein mit der Stigmatisierung von Prostituierten!
Der Menschenhandel ist ein komplexes Problem. Hier wird es keine einfachen Lösungen geben. Doch es gibt Ansatzpunkte: ein dauerhaftes Bleiberecht und Zeugenschutzprogramme, Entschädigungen und umfassende Unterstützung für Betroffene von Menschenhandel. Polizei und Strafverfolgungsbehörden müssen für die Thematik sensibilisiert werden.



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