29. Oktober 2019

LMV Oktober 2019: Beteiligung von migrantischen Personen fördern – Für ein Diversity-Gremium in der GJH



Die politische und gesellschaftliche Beteiligung von Menschen mit Migrationserfahrungen ist in der Gesellschaft immer noch mangelhaft. Seit der Ankunft der Gastarbeiter*innen sind über drei Generationen vergangen und immer noch herrscht kein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Anteil in der Bevölkerung und dem Anteil am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben.

Migrantische Personen werden in unserer Gesellschaft systematisch marginalisiert. Die Partizipation scheitert dabei schon an dem grundlegenden Gefühl von Menschen mit Migrationshintergrund, kein Teil dieser Gesellschaft zu sein. Wenn beispielsweise ein*e Jugendliche*r der*die in Deutschland geboren ist, perfekt Deutsch spricht und hier sozialisiert wurde, gefragt wird, woher er*sie denn komme, dann antwortet er*sie z.B. aus Tunesien. Aber eigentlich kennt sich diese*r Jugendliche in Tunesien überhaupt nicht aus. Wo es das beste Essen gibt, welcher Ort am schönsten ist, wie mensch von A nach B kommt. Das sind alles Dinge die er*sie nur in Bezug auf Deutschland beantworten kann. Trotzdem wird ihm*ihr, aufgrund von struktureller oder gesellschaftlicher Diskriminierung abgeschrieben, Deutschland als Heimat zu bezeichnen, weil vielleicht das Äußere oder der Name nicht ins eigene Bild passt. Das Beispiel zeigt auf, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine Identitätsbildung deutlich erschwert wird und dadurch Partizipation auch kaum gelingen kann.

Was wir verstehen müssen, ist, dass Integration immer zweiseitig passieren muss. Wenn wir Partizipation von sogenannten Migs* fördern wollen, müssen Plattformen geschaffen werden, die diese ermöglichen.

Menschen mit Migrationshintergrund und/oder Menschen aus anderen Kulturkreisen erleben in Deutschland immer noch rassistische Beleidigungen, werden Opfer von körperlicher Gewalt und all dies nur, weil sie in Deutschland leben. Wie der aktuelle Vorfall in der Frankfurter Polizei und der Anstieg an rechtsextremen Gewalttaten zeigt: Rassismus ist eine Tat, die täglich passiert.

Migrant*innen werden von einem großen Teil unserer Gesellschaft immer noch nicht als inkludierte Gruppe angesehen, sondern als Teil, der separat gestellt ist. Oftmals können sich Personen schlecht über diese Anfeindungen und Angriffe austauschen. Besonders in ländlichen Gebieten gibt es ein großes Defizit, was sichere Räume zum Austausch und zur Hilfe jenseits der eigenen Familie angeht. In vielen Bereichen im Leben erfährt mensch Ausgrenzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, wie zum Beispiel im Bewerbungsverfahren, im Schul- und Arbeitsalltag und in der Öffentlichkeit. Sie kommen dadurch in eine Verkettung, die sie aus der teilhabenden Gesellschaft heraus- und in schlechtere Bildungs-, Arbeits- und Teilhabemöglichkeiten hineintreibt. Das erkennbare Problem ist, dass die Gesellschaft diese Gruppe marginalisiert und aus dem gesellschaftlichen und politisch aktiven Teil heraustreibt. Diese Unterrepräsentation findet sich auch in der GRÜNEN JUGEND wieder. Diesem Problem müssen wir entgegenwirken und betroffenen Personen mit einer großen Offenheit entgegentreten und zeigen, dass sie in die Mitte unserer Gesellschaft und unseres Verbandes gehören.

Würden wir den Anteil der Personen mit einem Migrationshintergrund vollständig vertreten wollen, müsste fast jedes Zweite unserer Mitglieder einen Migrationshintergrund haben. Dass dies nicht der Fall ist, merken wir bereits seit langem. Wir, die GRÜNE JUGEND Hessen, möchte das nicht hinnehmen. Wir wollen dafür sorgen, dass Deutsche nicht-deutscher Herkunft in der GRÜNEN JUGEND Hessen genauso repräsentiert sind, wie in der Gesellschaft. Dieser Prozess muss jetzt angestoßen werden. Dafür muss sich etwas an unseren Strukturen ändern. Hessen, welches eine besondere Migrant*innengeschichte hat, sollte damit vorstoßen. Dem möchten wir mit diesem Beschluss gerecht werden.

Dabei möchten wir besonders auf Personenkreise eingehen, welche durch Rassismus betroffen sind. Sie wollen wir dadurch erreichen, indem Sprecher*innen und andere Fuktionär*innen, aktiv Migs* ansprechen und empowern, sich für diverse Positionen in unseren Gliederungen zu bewerben und Posten aktiv einzunehmen, statt auf die Bewegung der Betroffenen zu hoffen. Des Weiteren wollen wir, die GRÜNE JUGEND Hessen, mit dem Inkrafttreten dieses Antrags ein offenes Gremium gründen, in dem alle Personen, die von sich sagen, dass sie ein Migrant*in bzw. Person mit Migrationshintergrund sind, teilnehmen können. Dieses Gremium hat, analog zu einem Safespace, die Aufgabe sich mit der Marginalisierung von Migrant*innen zu beschäftigen und wie mensch diese aufbrechen kann, sie aus sich heraus zu empowern, sich stärker mit den politischen Spielregeln des Feldes zu beschäftigen und auch dahingehend weiterzubilden.

Diese Kommunikationsplattform für Migs* bearbeitet unter anderem folgende Themen:

  • Wie hängt die soziale Klasse mit Rassismus zusammen?
  • Weshalb haben wir besonders mit negativen Narrativen zu kämpfen?
  • Wie mensch die GJ besser gestalten, damit sich Migs* besser angesprochen fühlen?

Wir als GRÜNE JUGEND Hessen sind uns der vielfältigen überschneidenden Diskriminierungsformen in unserer Gesellschaft bewusst und versuchen, beispielsweise durch die Zusammenarbeit der Migs* AG mit anderen Gremien und Arbeitskreisen, wie dem FIT* Gremium, diese Thematiken zu reflektieren.

Wir möchten zudem den Austausch untereinander, als auch mit anderen Verbänden in Bezug auf dieses Thema stärken, beispielsweise durch den regelmäßigen Austausch der Migs* mit anderen Landesverbänden und deren Migs*- Gruppen.

Die GRÜNE JUGEND Hessen setzt sich als Ziel, Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Verband zu stärken und uns thematisch tiefergehenden und auf verschiedenen Art und Weisen, beispielsweise durch Workshops auf Landesmitgliederversammlungen, mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Diese Mechanismen sollen alle 2 Jahre auf ihre Wirkung überprüft und ggf. angepasst werden. Dabei ist uns klar, dass wir nicht bereits im nächsten Zyklus die vollkommene Parität erreichen werden.

Beschlossen am 27.10.2019 auf der Landesmitgliederversammlung in Wetzlar.



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