1. Juli 2023

Landesbeirat Juli 2023: Stoppt die soziale Spaltung! Wir fordern Gesamtschulen.



In einer Zeit, in der Bildung als Schlüssel zur persönlichen Entfaltung und gesellschaftlichen Teilhabe gilt, ist es alarmierend festzustellen, dass durch unser Schulsystem immer noch soziale Spaltung vorangetrieben wird. Die Zahlen zeichnen ein deutliches Bild:

  • Ungefähr 7 von 10 Kindern am Gymnasium haben mindestens einen Elternteil mit Abitur.
  • Auf der Hauptschule sind es nur 1,5 von 10 Kindern, die einen Elternteil mit Abitur haben.
  • Bei 15% der Kinder auf der Hauptschule haben beide Eltern gar keinen Schulabschluss. Gleichzeitig liegt der Prozentsatz der Kinder am Gymnasium mit beiden Eltern ohne Schulabschluss nur bei 2%.

Diese Daten zeigen, dass wir in Deutschland mit unserem Bildungssystem bestehende soziale Ungerechtigkeiten weiter befeuern und diskriminierende Strukturen stärken. Schließlich werden aktuell insbesondere Kinder aus reichen und akademischen Familien gefördert. Wer in Armut aufwächst wird durch das Schulsystem nicht aufgefangen, sondern hat klar schlechtere Bildungschancen. Von einem modernen Bildungssystem, in dem jede*r durch eigenes Handeln – unabhängig von der Herkunft – einen Platz in der Gesellschaft finden kann, ist dieses System noch weit entfernt.

Immer wieder wird behauptet, das gegliederte Schulsystem würde benötigt, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler*innen bestmöglich eingehen zu können. Dass dies nicht der Fall ist, haben verschiedene Studien in der Vergangenheit gezeigt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Schulformen von Schuljahr zu Schuljahr breiter werden.

2009 veröffentlichte John Hattie seine monumentale Analyse der Bildungsforschung über die vergangenen Jahrzehnte. Sie wurde immer wieder aktualisiert und beinhaltet heute über 250 Einflussfaktoren auf Schulleistung. Hierbei zeigte sich: Inklusion und gemeinsames Lernen wirkt sich nicht nachteilig, sondern positiv auf die Leistung der Schüler*innen aus.

Zusätzlich zu der Steigerung der Schulleistung bieten inklusive Gesamtschulen u.a. drei weitere wichtige Vorteile:

  1. Gesamtschulen sind ein Instrument für Bildungsgerechtigkeit. Jede*r hat Zugang zu einem breiten Bildungsangebot und kann sich entsprechend der eigenen individuellen Fähigkeiten und Interessen entwickeln.
  2. Durch das gemeinsame Lernen in Gesamtschulen können Vorurteile und Stereotype überwunden werden. Schüler*innen verschiedener Hintergründe interagieren miteinander und lernen voneinander. Das führt zu besserer sozialer Integration und einem besseren Verständnis für Vielfalt. Dieses Verständnis für Vielfalt ist der Garant für den sozialen Frieden in unserem Land!
  3. In einem Gesamtschulsystem können Schüler*innen ihre Bildungswege später festlegen. Damit ist eine Entwicklung im eigenen Tempo und eine Entfaltung der eigenen Talente möglich.

Auch Gesamtschulen müssen inklusiv gedacht werden und für alle zugänglich sein. Aktuell werden die notwendige Unterstützung, Betreuung und intensiv-pädagogischen Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oft nur an Sonderschulen oder Förderzentren angeboten. Gemeinschaftliches Lernen geht anders. Wir brauchen eine gerechte, hochwertige und inklusive Bildung als Ziel auf allen Ebenen.

Für den Übergang vom derzeitigen gegliederten Schulsystem hin zu einem landesweiten inklusiven Gesamtschulkonzept fordern wir:

  • Neu gegründete Schulen müssen Gesamtschulen sein.
  • Realschulen und Hauptschulen sollen um eine gymnasiale Oberstufe erweitert werden. Um Engpässe zu vermeiden, können unterschiedliche Schulen für den Übergang auch untereinander kooperieren.
  • Gymnasien sollen zu Gesamtschulen ausgebaut werden.
  • Intensiv-pädagogische Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen an Gesamtschulen anbieten
  • Ausstattung aller Schulen mit den notwendigen Mitteln und Personal, um Schüler*innen mit Behinderungen in den regulären Unterricht zu integrieren

Natürlich sind Gesamtschulen durch ihre Heterogenität neben den vielen Vorteilen, die sie bieten auch mit Herausforderungen konfrontiert. Dafür sind eine gute Lehrer*innenausbildung, genügend pädagogisches Personal und gute Schulkonzepte sowie eine angemessene Ausstattung der Schulen unerlässlich. Klar ist auch ein inklusives Schulsystem braucht Entlastung der Lehrkräfte und einen angemessenen Betreuungsschlüssel. Dafür hat die GRÜNE JUGEND Hessen im Oktober 2020 den umfangreichen Beschluss „Bildung macht Zukunft“ mit wichtigen Eckpunkten für eine Schule der Zukunft verabschiedet.

Die beschriebenen Schritte sind notwendig, um das Auseinanderdriften unterschiedlicher Gesellschaftsschichten über Generationen hinweg zu stoppen. Wir wollen damit für eine gerechtere Bildungspolitik eintreten – das geht nur mit Gesamtschulen und inklusiven Konzepten!



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