2. April 2022

LMV April 2022: Leitantrag: Die ökologische Transformation Realität werden lassen! – Her mit der Klimagerechtigkeit!



Die Klimakrise ist die größte Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, den Klimawandel aufzuhalten, werden Millionen von Menschen, insbesondere im globalen Süden, in unvorstellbares Leid gestürzt. Die Technologien, die es braucht, um Energie- und Wärmeversorgung, aber auch Mobilität klimaneutral zu machen, gibt es längst – es muss jetzt gehandelt werden!

Durch unsere unverantwortliche Art der Ressourcennutzung haben wir die Klimakatastrophe und den enormen Verlust an Biodiversität zu verantworten. Ohne eine Energie- und Mobilitätswende ist Klimaschutz nicht umsetzbar. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss extrem beschleunigt werden.

Den Kampf für den Klimaschutz müssen wir auf der Straße und in den Parlamenten einfordern. Wir sehen uns einerseits als Mitträger*innen und Unterstützer*innen der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung und andererseits als Bindeglied zwischen Bewegung und Parlament. Auch in diesem Jahr wollen wir dazu beitragen, dass die Klimabewegung noch stärker wird und es schafft, Druck auszuüben, der groß genug ist, um politische Mehrheits- und Machtverhältnisse grundlegend zu verschieben!

Die Folgen der Corona-Krise standen in den letzten Monaten zurecht im Vordergrund. Jedoch darf darüber hinaus nicht vergessen werden, dass die Klimakrise und andere ökologische Katastrophen kein bisschen an Bedrohlichkeit verloren haben, sondern eine gemeinsame Ursächlichkeit teilen: die Ausbeutung des Ökosystems unseres Planeten durch den Menschen. Nach weiteren Hitzesommern, Waldbränden und Überschwemmungen werden die kurz- bis mittelfristigen Folgen im teils drastischen Ausmaß weiter spürbar. Diese lassen vermuten, wie verheerend die Situation wird, wenn Kipppunkte überschritten werden und bestimmte Dynamiken, wie der Meeresspiegelanstieg, nicht mehr aufzuhalten sind. Auch die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise sind nicht zu vernachlässigen und werden unser Gesundheitssystem in Zukunft vor neue Herausforderungen stellen. Die enorme Dringlichkeit der Klimakrise und des Artensterbens erfordert sofortige Maßnahmen auf allen Ebenen.

Energie und Erneuerbare Energien in Hessen

Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stellt sich die Frage nach der Energie-Versorgungssicherheit noch dringender. Deutschland ist abhängiger von russischen Importen als andere europäische Länder, besonders beim Erdgas. Große Mengen Gas, Öl und Steinkohle wurden bisher aus Russland in die EU geliefert. Mit dieser Abhängigkeit muss endlich Schluss sein – kein Handel mit Russland und den Oligarchen! Die Versorgungsschwierigkeiten, vor denen wir stehen, sind entstanden, weil wir die Energiewende schleifen gelassen haben. Anstatt Windräder und Solar auszubauen, haben wir auf russische Gaslieferungen vertraut. Wir sollten alles dafür tun, unsere energetische Unabhängigkeit zu stärken. Die fossile Abhängigkeit von Autokratien ist ein Fehler, den wir schnellstmöglich beheben müssen. Eine Lehre aus dem russischen Angriffskrieg muss sein, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Wärmewende massiv zu beschleunigen! Dafür braucht es einen Plan, wie Auswirkungen in Deutschland abgefedert werden können – sozial und unter Einhaltung der Klimaziele.

Als Grüne Jugend Hessen betonen wir deswegen deutlich: Nein zu Nord Stream 2! Und nein zu LNG-Terminals in Deutschland. Geld in Infrastruktur zu stecken und diese dann nach mehreren Jahren Bauzeit in Betrieb zu nehmen, obwohl wir jetzt schon wissen, dass Flüssiggas weder nachhaltig ist, noch eine Zukunft hat, lehnen wir ab. LNG Terminals sind weder kurz- noch mittelfristig eine Lösung. Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge!

Wir fordern, beim Neubau von Gebäuden die Errichtung von Solaranlagen auf dem Dach, zur Pflicht zu machen, sofern die die Lage geeignet ist. Auch bei Modernisierungen des Dachs sollen so weit wie möglich Solaranlagen installiert werden, sofern der Denkmalschutz gegeben ist und die Dachstruktur für die Anlagen geeignet ist. Die Fördermöglichkeiten für Privatpersonen müssen weiter ausgebaut werden und auch eine Kreditfinanzierung, die durch die Einnahmen der Einspeisung oder die Ersparnis durch weniger zugekauften Strom getilgt wird, muss gegeben sein. Durch die gesenkten Energiekosten profitiert am Ende das Klima und die Eigentümer*innen. Für öffentliche Gebäude soll eine Pflicht eingeführt werden, diese innerhalb einer angemessenen Frist mit Solaranlagen auszustatten, sofern die Dächer dafür geeignet sind.

Die GRÜNE JUGEND Hessen bekräftigt den Beschluss der LMV vom März 2020, Windkraftanlagen weiter auszubauen. Das zwei-Prozent-Ziel, welches jetzt auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Bundesländer sind jetzt in der Pflicht, entsprechende Gebiete auszuweisen. Hierbei muss natürlich auch auf Umwelt- und Naturschutz Rücksicht genommen werden. Klar ist aber auch: Ohne Klimaschutz und die damit verbundene Energiewende wird die Natur-, Tier- und Pflanzenwelt noch viel mehr leiden, als durch neue Windkraftanlagen. Neben dem Neubau müssen wir alte Standorte repowern und die entsprechende Förderung aus dem Jahr 2014 wieder aufleben lassen. Auch technische Weiterentwicklungen, sind weiter zu fördern.

Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien muss auf der Verbrauchsseite die Energieeffizienz weiter gesteigert werden. In der öffentlichen Beschaffung sollen Anschaffungen zukünftig nur die höchsten Energieeffizienzklassen erfüllen. Ebenso müssen strengere Effizienzregelungen für neue Elektrowaren eingeführt werden, damit besonders verbrauchsintensive Geräte möglichst nicht mehr verkauft werden.

Kein Greenwashing von Atom und Gas!

Die EU-Kommission hat ein Klima-Siegel für Atomenergie und Gas beschlossen. Wir als GRÜNE JUGEND Hessen lehnen diese Einstufung von Atom- und Gaskraft als nachhaltig der EU-Kommission ab. Für uns ist klar: Sowohl Atomkraft als auch Erdgas sind extrem gefährlich und keine erneuerbaren Energien. Das beides nun in die Taxonomie aufgenommen wurde, ist irreführend und widerspricht der Idee der Taxonomie. Atomenergie leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz und stellt überdies eine enorme Gefahr für Mensch und Umwelt da. Die Bundesregierung kann weder Atomkraft noch Erdgas in der EU-Taxonomie akzeptieren, wenn die selbst gesteckten Klimaziele und die Mobilisierung des Finanzmarkts dafür erreichbar bleiben und gelingen sollte.

Besonders fossile Energien und auch die Atomenergie können wirtschaftlich oft nur mit hohen Subventionen betrieben werden. Diese Subventionen müssen konsequenter in die Erneuerbaren Energien umgeleitet werden. Die Strompreise sollen so möglichst niedrig gehalten werden, aus diesem Grund ist auch die Abschaffung der EEG-Umlage ein Schritt in die richtige Richtung.Wir brauchen jetzt einen schnellstmöglichen Übergang zu 100 Prozent erneuerbaren Energien!

Klimaneutralität so schnell wie möglich

Wir bekräftigen unseren Beschluss von der LMV im November 2021: Hessen braucht ein Gesetz zum Schutz des Klimas! Bei fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das deutsche CO2-Budget in weniger als neun Jahren verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Die derzeit in Hessen beschlossenen Maßnahmen „Integrierter Klimaschutzplan 2025” und das „Mehr-Klimaschutz- Programm” beginnen diesen Prozess, reichen jedoch nicht aus. Deshalb braucht es jetzt ein 1,5 Grad konformes Gesetz zum Schutz des Klimas auf Landesebene. Wir begrüßen die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begonnene Einführung und weitere Reform des Integrierten Klimaschutzplan Hessen 2025 und den anlaufenden Gesetzgebungsprozess zur Schaffung eines Hessischen Klimaschutzgesetzes und werden diesen kritisch-konstruktiv begleiten. Ziel muss die hessische Klimaneutralität spätestens im Jahr 2035 sein.

Ein Bus zwei Mal am Tag? Holt uns nicht ab!

Im ländlichen Raum sind die meisten Menschen noch immer auf Autos angewiesen. Obwohl mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland im ländlichen Raum lebt, werden klimaverträgliche Mobilitätskonzepte für diesen Raum kaum diskutiert. Für eine sozial-gerechte Verkehrswende muss sich das dringend ändern! Für eine Dekarbonisierung des Verkehrs im ländlichen Raum muss der öffentliche Personennahverkehr deutlich attraktiver werden. Ein großer Schritt in diese Richtung ist, den ÖPNV perspektivisch ticketlos zu machen. Modellprojekte hierzu müssen ausgeweitet werden. Die Einführung des Schüler*innentickets und des Senior*innentickets sind gute erste Schritte und ein Erfolg GRÜNER Regierungsbeteiligung. Im nächsten Schritt brauchen wir ein Bürger*innenticket für 365€ im Jahr für alle. Somit werden deutliche finanzielle Anreize gesetzt und die Mobilität sozial gerechter. Jedoch reichen finanzielle Anreize alleine nicht aus. Wo kein Bus fährt, kann auch nicht auf den ÖPNV umgestiegen werden. Deswegen muss jedes Dorf ans Bus- oder Bahnnetz angeschlossen werden und die Taktung auf allen Strecken und besonders deutlich im ländlichen Raum erhöht werden.

Vor allem in Randzeiten besteht ein großer Handlungsbedarf. Busse, die auch noch spät abends fahren, ermöglichen es in besonderem Maße Jugendlichen, deutlich besser am kulturellen Leben teilzuhaben, und können somit ein guter Ersatz für den Rollerführerschein sein. Zwischen den größeren Ortschaften fordern wir ein Express-Bus-Netz mit stündlicher Taktung. Dieses soll durch ein möglichst engmaschiges Regionalbahn-Netz Stück für Stück ersetzt oder wo nicht möglich ergänzt werden. Auch Querverbindungen zwischen Dörfern müssen gestärkt werden: Es muss Verkehrsnetze geben, nicht allein die Anbindung an die nächstgrößere Stadt, damit der ÖPNV auch im ländlichen Raum zu einer echten Alternative wird. Doch selbst in den Städten müssen die Streckenführungen weiter ausgebaut werden. Mobilitätsplanung wird noch immer meistens von Männern für Männer betrieben, mit besonderem Fokus auf die Wege von Wohnung zu Erwerbsarbeit. Frauen legen, etwa durch Care-Arbeit, häufig sehr viel komplexere Wegeketten zurück. Auch diese Wege müssen jedoch mit dem ÖPNV zurückzulegen sein, dafür brauchen wir eine feministische Mobilitätsplanung!

Autofreie Innenstädte jetzt!

Von Autos überfüllte Innenstädte, Lärm und schlechte Luft. Kaum Platz für Begegnungen. Kaum lebendige Kultur im öffentlichen Raum, abseits von Museen und Theatern. Das ist in hessischen Städten heute leider oft Realität. Wir als GRÜNE JUGEND Hessen wollen uns explizit für ökologische, feministische und soziale Stadtplanung, kommunalen Klimaschutz und echte Partizipation einsetzen. Kurz für das gute Leben für alle und einen öffentlichen Raum, der allen gehört!

Wir fordern mehr autofreie Innenstädte, maximal Tempo 30 innerorts sowie langfristig ein Ende des motorisierten Individualverkehrs in Städten. Im ländlichen Raum ist das, zumindest in den nächsten Jahren, leider nicht möglich. Um trotzdem das 1,5 Grad Ziel einzuhalten, muss der motorisierte Individualverkehr, soweit er nicht durch ÖPNV ersetzt werden kann, klimaneutral werden. Grüner Wasserstoff ist für den Individualverkehr in diesem Zuge nach Einschätzung vieler Verbände keine gangbare und effiziente Lösung.

Landwirtschaft und Ernährung

Die Klimakrise stellt die Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen: erodierende Böden, sinkende Grundwasserspiegel, ganz allgemein Ertragsausfälle. Gleichzeitig ist die industrielle Landwirtschaft Mitverursacherin der Klimakrise und vieler weiterer Umweltprobleme: Nitratbelastung des Grundwassers, Tierquälerei, Artensterben, Bodendegradation und Erosion, Eutrophierung der Gewässer und weitere Umweltbelastungen entstehen durch die Art, wie heute Lebensmittel produziert werden. Außerdem hat die industrielle Landwirtschaft durch Tierhaltung und Tierernährung sowie durch Produktion und Nutzung synthetischer Dünger massive Auswirkungen auf das Klima.

Ohne die Landwirtschaft mitzudenken, können wir das 1,5 Grad Ziel von Paris nicht einhalten. Um bis 2030 ausreichend Emissionen einzusparen, damit die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzt wird, muss die Agrarpolitik u.a. drei bedeutende Schwerpunkte zusammenbringen: den Klimaschutz, die Klimaanpassung und die soziale Realität in den landwirtschaftlichen Betrieben.

Bei der Auswahl der Landnutzungssysteme sehen wir noch viel Handlungsbedarf. Es muss Anreize geben, in Landbausysteme wie Agroforstsysteme umzusteigen. Auch im Umbau der Fruchtfolgen sehen wir große Potenziale. Der Humusaufbau in landwirtschaftlichen Böden und von Flächen mit bereits hohem Humusgehalt muss gefördert werden. Dies gelingt mit der Vorgabe einer standort- und betriebsgerechten Mindestfruchtfolge, die auch humusmehrende Feldfrüchte verwendet. Auch braucht es hier Anreize, wie eine finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung. Auch muss der Humusaufbau unter Grünland durch die weidebasierte Tierhaltung und die Erhaltung lebendiger Pflanzen-Wurzel-Netzwerke als Kohlenstoffspeicher und zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit gefördert werden. Die Freisetzung von klimaschädlichen Gasen durch Überdüngung muss gestoppt werden, denn so wird das Grundwasser geschützt. Hierfür müssen weitreichende Maßnahmen für eine Reduzierung des Stickstoffüberschusses im Boden ergriffen werden. Zum anderen gelingt die CO2-Reduktion durch die Verkürzung der Transportwege in der Landwirtschaft. Längere Transportstrecken müssen durch eine CO2-Bepreisung so teuer werden, dass die Auswirkungen auf das Klima entsprechend abgebildet werden. Dadurch werden regionale Kreisläufe wesentlich attraktiver. Es kann nicht sein, dass es billiger ist, in Neuseeland Äpfel anzubauen und diese in deutschen Discountern zu vermarkten, als regional produzierte Äpfel zu verkaufen.

Die GRÜNE JUGEND Hessen, fordert dass Verbraucher*innen endlich dafür sensibilisiert werden müssen, dass ihr Einkaufs- und Konsumverhalten erheblichen Einfluss darauf hat, wie unsere Lebensmittel in der Marktwirtschaft produziert werden. Ebenso dürfen Verbraucher*innen nicht alleine gelassen werden. Verpackungen müssen dementsprechend gekennzeichnet sein und zum Nachdenken anregen. Es muss transparent werden, wie viel CO2 und andere Emissionen durch den Verkauf von verschiedenen Produkten ausgestoßen werden. Individualisierte Konsumkritik hat ihre Berechtigung, aber das System bleibt das Problem! Es muss darauf geachtet werden, dass gutes Essen kein Luxus für die Wohlhabenden ist, sondern für alle erschwinglich. Das heißt, dass wir uns auch für höhere Löhne und Sozialleistungssätze sowie für günstigeres, Bio einsetzen. Es ist gesünder und besser fürs Klima! Deshalb sollte es auch für alle bezahlbar sein. Einen Hebel hierfür sehen wir in einer Novelle der Vergabe der EU-Agrarsubventionen. Weg von konventionellen hin zu sozial-ökologischen Agrarsubventionen. Auch die Flächenbasierung der Direktzahlungen innerhalb der Agrarsubventionen muss geändert werden, da von dieser insbesondere besonders flächenstarke Betriebe profitieren, während kleine und mittlere Betriebe entweder aufgekauft werden oder aufgeben müssen. Gleichzeitig müssen Labels wie das Bio-Siegel eine Garantie für Verbraucher*innen sein, wahrhaftig bessere Kaufentscheidungen getroffen zu haben. Wir bekräftigen unseren Beschluss von der LMV im März 2020 und lehnen den Einsatz von Gentechnik, gleich ob alter oder neuer, weiterhin ab. In Bezug auf den Tierschutz bekräftigen wir unseren Beschluss von der LMV im April 2021, in dem wir eine Reform des Tierschutzrechtes fordern.

Wir wollen ein System schaffen, das klimaschützende Landwirtschaft zum Standard macht. Wir wollen diese fehlgeleitete Agrarpolitik ändern.  Wir stehen für eine Agrarpolitik, die Menschen, Tier und Ökosysteme in den Mittelpunkt stellt, und deshalb Landwirt*innen, Klima, Tiere, Böden und Grundwasser schützt, ohne einen davon auf der Strecke zu lassen. Denn eine zukunftsfähige Landwirtschaft wird nur mit allen gelingen. Gemeinsam gegen die Klimakrise und für Veränderung.

Bauen und Wohnen

Die Energiewende im Gebäudebereich steckt immer noch in den Kinderschuhen. Doch genau hier brauchen wir dringend klimagerechte Lösungen auf dem Weg in eine CO2- neutrale Zukunft. Dafür brauchen wir ein grundlegendes Umdenken darin, wie wir unsere Gebäude zukünftig bauen.

Um den Klimaschutz im Gebäudesektor schnell und nachhaltig auszubauen, müssen wir konsequent und ganzheitlich vom Anfang bis zum Ende denken. Zwar haben wir schon unzählige Zertifizierungen und gesetzliche Vorschriften zum Energieverbrauch von Gebäuden. Doch wie viel Energie bereits mit dem Bau eines Gebäudes und der Herstellung der verarbeiteten Baustoffe freigesetzt wurde, wird viel zu oft vernachlässigt. Deshalb: ”Graue Energien” endlich mit in die Gesamtrechnung! Der Primärenergieverbrauch muss mehr Gewichtung in den Vorgaben von Energieeinsparverordnungen bekommen.

Um das zu erreichen, müssen wir weg von der energiefressenden Stahlbetonbauweise und hin zu natürlichen, möglichst unverarbeiteten Naturbaustoffen. Diese bringen für die Klimabilanz einen entscheidenden Vorteil: Pflanzliche Baustoffe sind ein natürlicher Speicher von CO2 und tragen so dazu bei, dass Gebäude sogar in ihrer Erbauung CO2-negativ sein können.

Zum klimagerechten Bauen gehört, dass wir bereits heute nicht mehr abwendbare Folgen des Klimawandels in die Planungsprozesse mit einbeziehen. Besonders in den Städten werden die Sommer in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer heißer und unerträglicher für die Menschen werden. Hier müssen wir jetzt schon Maßnahmen einplanen. Vor allem das Klimatisieren in Gebäuden wird unter dieser Ausgangslage ein Aspekt sein, den wir jetzt schon mitbedenken müssen. Zumal Klimatechnik sehr viel Energie benötigt und hier bei falscher Planung CO2- Emissionen entstehen können, mit denen wir heute noch gar nicht rechnen. Auch hier spielt die Auswahl der verwendeten Baustoffe eine enorme Rolle. Deshalb muss die Gebäudedämmung gegen Hitze in der Energieeinsparverordnung von Gebäuden genauso miteinbezogen werden wie Kälteschutzdämmung. Die Kommunen und das Land müssen Vorreiter*innen für Klimaschutz sein und auf allen eigenen Gebäuden Dach- oder Fassadenbegrünung integrieren.

No Climate Justice without Gender Justice!

Eine weitere große soziale Folge des Klimawandels bleibt oftmals noch unbeachtet: Die Intersektionalität von Negativfolgen der globalen Erwärmung und der weltweit unterschiedlich auftretenden Diskriminierung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen! Klimaschutz muss für uns immer auch eine feministische Frage sein und so fordern wir damit einhergehend Geschlechtergerechtigkeit! FINTA*-Personen sind unter anderem viel seltener Teil von Delegationen an Klimagipfeln, wodurch klimapolitische Maßnahmen in erster Linie cis-männlich gedacht werden und daher dann meist nur cis-männliche Lebensrealitäten betreffen. Dadurch werden strukturell mehr als die Hälfte der Bevölkerung in klimapolitischen Entscheidungen nicht stark genug mitgedacht. Dass Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige Wirtschaftssysteme zusammen gedacht werden müssen, ist wissenschaftlich erwiesen. Wenn Frauen am Verhandlungstisch sitzen, sind Klimaschutz und Klimafolgen-Management nachweislich effizienter.

Armut in Folge des Klimawandels wird weiter zunehmen und gegenwärtig sind bereits 80% der ärmsten Menschen weiblich. Dazu sollte man weitere Ebenen der Diskriminierung bedenken, die z.B.Women of color und Menschen mit Behinderung besonders betreffen und bedrohen. Aber FINTA*-Personen sind auch ganz vorne mit dabei in der Klimabewegung. So setzen sich z.B. indigene Frauen in vielen Weltregionen gegen die weitere Ausbeutung natürlicher Ressourcen ein. Die GRÜNE JUGEND Hessen setzt sich dementsprechend für die Gleichstellung der Geschlechter in allen Sektoren unserer Gesellschaft ein und für die tatsächliche Beteiligung von FINTA*-Personen in allen klima-, energie- und industriepolitischen Entscheidungen. Dazu gehört u.a. auch die Anwendung von Gender Budgeting als Instrument für Gleichstellung und Gleichberechtigung. Patriarchale Machtstrukturen in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen müssen aufgebrochen werden.

Klimakrise global denken

Weltweit müssen Millionen von Menschen ihr Zuhause verlassen und fliehen u.a. vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Armut. Schon heute sind viele der Fluchtursachen indirekte oder direkte Folgen der Klimakrise. Die UN schätzt, dass im Jahr 2050 etwa 200 Millionen Menschen aufgrund der Klimakrise aus ihrer Heimat fliehen, da diese unbewohnbar wurde. Um diesen Menschen zu helfen, soll es Bewohner*innen solcher Regionen ermöglicht werden, durch eine legale und selbstbestimmte Migration ein neues Zuhause zu finden. Mit diesen sogenannten Klimapässen sollen die Menschen den Status von Staatsbürger*innen mit all ihren Rechten erlangen. Dies soll zusätzlich und nicht alternativ zu bereits bestehenden Initiativen und Programmen für die bedrohten Regionen etabliert werden. So kann eine soziale und die Menschenwürde respektierende Klimapolitik gelingen.

Wir fordern, die Klimakrise global und nicht nur regional oder national zu denken. Klimaschutz muss weltweit gedacht und überall auch mit hilfreichen Mitteln erkämpft werden. Denn: Mehr Zeit bleibt uns nicht. Wir fordern Solidarität mit allen Menschen, deren Leben von den Folgen des Klimawandels bedroht sind. Da wir mit unserer Wirtschaftsweise den hiesigen Wohlstand auf der kapitalistischen Ausbeutung des globalen Südens aufbauen, sind wir auch verantwortlich für die dort zunehmend drastischen negativen klimatischen Auswirkungen.

Wir fordern die Gewährleistung von Hilfe vor Ort sowie die Aufnahme von Menschen, die wegen massiver klimatischer Veränderung flüchten müssen!

Flutkatastrophe – aus den Katastrophen lernen

Zerstörte Häuser, zerwühlte Uferlandschaften, Existenzen zerstört, Trauernde und Helfende. Im Sommer 2021 hatte ein extremer Starkregen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen für verheerende und schlimmen Überschwemmungen gesorgt, insbesondere im Ahrtal. Die Flutkatastrophe forderte auch Menschenleben, insgesamt 139 sind an der Katastrophe ums Leben gekommen. Ein Bild der völligen Zerstörung! Diese Flutkatastrophe zeigt eindeutig, dass der Klimawandel direkt vor unserer Tür angekommen ist und wir nicht vorbereitet sind. Wir werden die Wucht der Natur immer mehr spüren, wenn wir jetzt nicht handeln. Was es jetzt braucht, ist Hochwasserschutz für alle. Wir müssen für solche Situationen viel besser vorbereitet und versorgt sein! Wir brauchen bessere Frühwarnsysteme! In Sinzig kamen durch die Fluten 12 Menschen mit Behinderung ums Leben. Für uns ist klar: Warnsysteme müssen barrierefrei werden! Durch die Installation technischer Frühwarnsysteme werden Bewohner*innen frühzeitig vor heranziehenden Stürmen & Fluten gewarnt – gerade für die (kleinen) Fluss-Einzugsgebiete. Wo die Infrastruktur gut ist, kommen Helfer*innen schneller zum Ziel. Straßen und Brücken müssen sturmsicher aufgebaut, Dämme und Deiche aufgeschüttet werden, um vor Hochwasser zu schützen. Zudem müssen wir gegen die Flächenversiegelung in Hochwassergebieten vorgehen. Sogenannte Gefahrenkarten für Starkregen müssen erarbeitet werden, um präventiv vorzugehen und schließlich zu wissen, was im Katastrophenfall passiert. Der Wiederaufbau muss modernen Hochwasserschutzauflagen genügen.

Sozial-ökologische Transformation ist der Schlüssel

Eine sozial-ökologische Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft bedeutet aber nicht nur weltweit andere Staaten und Regionen mitzunehmen. Auch innerhalb des Landes müssen alle Bürger*innen beim Klimaschutz mitgenommen und in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation miteinbezogen werden. Dazu gehört einerseits ein Wandel der Werte unserer Gesellschaft weg von Konsum und materiellen Statussymbolen, hin zu Suffizienz, Solidarität und Gemeinschaft. Die Ausbildung dieser Werte muss vor allem im Bildungssystem angeregt werden und durch breite finanzielle und ideelle Unterstützung von Gemeinschafts- und Suffizienzprojekten, wie Repair Cafés und Urban Gardening Projekten, gefördert werden. Andererseits müssen wir die demokratischen Beteiligungsformate und -rechte in Politik und im Arbeitsleben ausbauen.

Die Frage der CO2-Bepreisung muss zwingenderweise mit einer Umverteilung, in Form eines Energiegeldes, gekoppelt werden. Nur wenn sich auch wirtschaftlich schwächere Haushalte Klimaschutzmaßnahmen leisten können und die ökologische Frage mit der sozialen Frage verbunden werden kann, gelingt uns der Transformationsprozess. Einkommensschwache Haushalte tragen aufgrund der geringeren Kaufkraft weniger zu den klimarelevanten Treibhausgasen bei, mit denen praktisch alle Güter und Dienstleistungen verbunden sind. Zwar würden diese deshalb zwar absolut auch weniger CO2-Abgaben zahlen als Besserverdiener*innen, anteilig an ihrem Einkommen allerdings meist mehr. Mit einem Energiegeld würden alle Einwohner*innen den gleichen Betrag zurück bekommen, nämlich das Mittel der Energieabgaben der Gesamtbevölkerung. Dadurch ergibt sich bei einem nachhaltigen und sparsamen Lebensstil ein Gewinn und bei einem verschwenderischen ein Verlust, was klare Anreize setzt.

Gerade ökonomisch schwächere Menschen profitieren von Klimaschutzmaßnahmen überproportional. So sind es vor allem Menschen mit geringerem Einkommen und migrantisierte Menschen, die aufgrund von Gentrifizierung an viel befahrenen Straßen wohnen und die schmutzige Dieselabgase täglich einatmen und von Luftreinhaltung und Klimaschutz profitieren. Auch Rentner*innen profitieren von richtigem Klimaschutz doppelt. Einerseits werden sie durch ein Energiegeld finanziell entlastet und andererseits sind sie von extremer Hitze durch die Klimakrise besonders bedroht.

Der Wandel zu einer klimaneutralen Gesellschaft kann in Hessen nur sozial und global gerecht umgesetzt gelingen.

Beschlossen am 02.04.2022 auf der Landesmitgliederversammlung in Wetzlar



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