2. April 2022

LMV April 2022: Preissenkung statt Inhaftierung – Mobilität für Alle!



In Deutschland gibt es jedes Jahr tausende Menschen, die inhaftiert werden, weil sie ihre Geldstrafen nicht zahlen konnten. Ein häufiger Grund für solche sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen sind Geldstrafen, welche aufgrund des Paragraphen 265a des Strafgesetzbuches, besser bekannt unter dem Namen „Erschleichen von Leistungen“, verhängten wurden. Dieser Paragraph stellt unter anderem „Schwarzfahren“ , also die Benutzung des ÖPNVs ohne gültigen Fahrschein, unter Strafe.

Für viele mag der Kauf eines Tickets kein Problem darstellen. Jedoch gibt es einige Menschen, welche sich einfach keinen Fahrschein für öffentliche Verkehrsmittel kaufen können, weil sie hierfür einfach nicht genügend Geld haben. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein, die Folgen für diese Menschen sind jedoch immerzu dieselben: Sollten sie erwischt werden, müssen sie ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsentgeld zahlen und ihnen droht eine Anzeige und Strafe wegen des Paragraphen 265a. Diese Geldstrafen, als auch das erhöhte Beförderungsentgeld und die eventuell folgenden Mahngebühren können wiederum von finanziell schwachen Menschen erst recht nicht bezahlt werden. Eine Ersatzfreiheitsstrafe ist somit oftmals eine ultimative Folge einer Geldstrafe, welche aufgrund von Paragraph 265a verhängt wurde. So sagt z.B. die Soziologin Nicole Böglein, dass 87% der Menschen, welche eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen des Paragraphen 265a verbüßen müssten, arbeitslos wären und gut ein Drittel psychische Probleme hätten. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Fahren ohne Fahrschein trifft die Schwächsten in unserer Gesellschaft.

Leider sind die sozialen Sicherungsysteme in Hessen nicht in der Lage eben jenen Menschen einen günstigen, wie ebenso guten Zugang zum ÖPNV zu ermöglichen und so auch ihnen Mobilität zu garantieren. 2022 sind im ALG II (Hartz 4) Regelsatz 40,27 € für Mobilität vorgesehen. Mit 56,10 € in Frankfurt und 60,90 € in Wiesbaden ist der Monatspreis für ein „Sozialticket“ in 2 hessischen Städten deutlich über diesem Betrag. In Darmstadt und Kassel kosten die „Sozialtickets“ zwar nur 36,70 € und 35€, jedoch gelten in allen hessischen Städten diese „Sozialtickets“, bis auf Ausnahmen, nur im Stadtgebiet. In vielen hessischen Kommunen gibt es wiederum kein Modell, welches ein Sozialticket oder ähnliche Vergünstigungen für Menschen, welche Leistungen im Rahmen des SGB II oder des SGB XII erhalten, im ÖPNV garantiert.

Dass Menschen mit wenig oder gar keinem Einkommen, nicht einfach auf die Benutzung des ÖPNVs verzichten können ist logisch, sind sie doch wie jeder andere auch auf Mobilität angewiesen, um zur Arbeit, zur Schule, zur Ausbildung, zu Behörden zu kommen oder aber einfach nur um Freund*innen zu treffen oder ihren Hobbys nachgehen zu können. Bei wohnungslosen Menschen ist der ÖPNV nochmal wichtiger und häufig sogar überlebenswichtig, da er doch oft die einzige Möglichkeit ist, sich aufzuwärmen und Suppenküchen oder andere soziale Einrichtungen erreichen zu können.

Darum stellen wir, die Grünen Jugend Hessen, fest: Mobilität ist ein Grundrecht. Nicht weil ein solcher Artikel explizit im Grundgesetz steht, sondern weil in unserer modernen Gesellschaft Mobilität zwingende Notwendigkeit ist, damit wir unsere Grundrechte wahrnehmen und Alle gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Deshalb fordern wir als Grüne Jugend Hessen:

  • Eine Novelle des Paragraphen 265a: Die Benutzung des ÖPNVs darf nicht mehr strafbar sein. Es kann nicht sein, dass Menschen für die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, die lebenswichtige und manchmal sogar überlebenswichtige Wahrung ihrer Mobiliät, bestraft werden. Deshalb fordern wir, dass der Paragraph 265a inhaltlich so verändert wird, dass das „Erschleichen“ einer Beförderung durch ein Verkehrsmittel, in der Absicht das Entgeld nicht zu entrichten, als Tatbestandsmerkmal gestrichen wird.
  • Ein hessenweites Bürger*innenticket: Mobilität ist für uns ein Grundrecht, deshalb brauchen wir angleichend an das Schülerinnen-, Beamtinnen- und Seniorinnenticket ein Bürgerinnenticket für alle zum Preis von 365€ im Jahr. Besonders bei den weiter steigenden Preisen für die Kraftstoffe des Individualverkehrs kann hier ein weiterer Anreiz für einen Umstieg gegeben werden. Öffentliche Mobilität muss aber nicht nur bezahlbar sein, sondern auch gut ausgebaut. Insbesondere im ländlichen Raum muss die Taktung des ÖPNV verdichtet werden.
  • Ermäßigungen für finanziell schwächer gestellte Menschen: Für Menschen mit weniger Einkommen braucht es weitere Förderungen, denn für sie sind auch 365€ im Jahr eine Menge Geld. Hierbei soll der Bund länderübergreifend weitere Förderungen einsetzen, von welchen auch Studierende und Rentnerinnen mit geringen Bezügen profitieren sollen. Dieses Sozialticket soll außerdem eine Vergünstigung im Fernverkehr, ähnlich einer BahnCard, enthalten.
  • Vision eines ticketlosen ÖPNV: Langfristig brauchen wir einen ticketlosen ÖPNV. Hierzu sollen in den kommenden Jahren weitere Modellprojekte auch in Hessen auf den Weg gebracht werden. Diese sollen sowohl im ländlichen Raum als auch in urbanen Gebieten angesiedelt sein.

Beschlossen am 03.04.2022 auf der Landesmitgliederversammlung in Wetzlar



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