19. November 2015

LMV Dezember 2012: Politik in der Zeitungskrise: Pressevielfalt und qualitativen Journalismus fördern.



Deutschland redet über seine Zeitungen. Mit der Insolvenz der Frankfurter Rundschau (FR) und der Einstellung der Financial Times Deutschland (FTD) wenige Tage später, ist eine breite Diskussion um den derzeitigen Zustand der Printmedien entstanden. Bei der Zeitung vom Main sind dabei rund 500 Arbeitsplätze bedroht. Die FTD hat bereits bekannt gegeben, dass ab dem Jahr 2013 rund 320 Jobs wegfallen werden.

Diese beiden prominenten Beispiele stehen charakteristisch für das stetige Pressesterben in den vergangenen Jahren. Neben der Insolvenz der Nachrichtenagentur DAPD, hat bereits das Stadtmagazin Prinz seine Einstellung verkündet. Ebenfalls sind weitere Wirtschaftsmagazine der Verlagsgruppe Gruner+Jahr, wie auch die Berliner Zeitung und Regionalzeitungen wie die Augsburger Allgemeine akut gefährdet. Die Zeitungskrise macht sich bereits jetzt schon bemerkbar. Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern existieren beispielsweise bereits heute nur noch drei Regionalzeitungen.

Die gegenwärtige Diskussion über die Zeitungskrise ist vor allem von der Suche nach den Ursachen bestimmt. In etlichen Artikeln werden unternehmerische Fehlleistungen angeprangert und neue Konzepte, die den Wandel in der Mediennutzung berücksichtigen, gefordert. Es ist wichtig, dass die Branche sich mit diesen Fragen beschäftigt. Politik ist jedoch in dieser Diskussion völlig Fehl am Platz.

Die missliche Lage vieler Zeitungen führt dazu, dass mehr Mittel in die Vermarktung von Anzeigen gesteckt wird, als in die eigentliche redaktionelle Arbeit. Im Jahr 2000 gab es noch 15.306 RedakteurInnen bei Tages- und Wochenzeitungen. In 2011 waren es nur noch 12.966. Dieser Trend wirkt sich natürlich auch auf die journalistische Arbeit der Tageszeitungen aus. Recherche, investigativer Journalismus und ausführliche Hintergrundberichterstattung sind gerade bei Lokalzeitungen kaum mehr zu leisten.

Eine vielfältige Medienlandschaft ist gleichzeitig Garant für eine lebendige Demokratie. Investigativer Journalismus ist dabei auch eine wichtige Säule zur Überwachung staatlichen Handelns. Die Zeitungskrise ist somit auch eine Gefahr für die Meinungsvielfalt und die demokratische Kontrolle hierzulande. Maßnahmen, die diese Krise schmälern, müssen somit auch gesamtgesellschaftlich getragen werden. Der Staat ist jetzt gefragt Maßnahmen zu ergreifen.

Bisherige Medienpolitik der Bundesregierung

Die zehn führenden deutschen Verlagsgruppen konzentrieren heute fast 60 Prozent der verkauften Zeitungsauflage auf sich. Der Marktanteil der fünf größten Verlagsgruppen (Springer 18,8%, Südwest Presse, WAZ, DuMont, Madsack) beträgt 44,2 Prozent. Ebenso ist ein Trend zur Zusammenlegung von Redaktionen zu beobachten. Die Zahlen verdeutlichen, wie schlecht es um die Pressevielfalt in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt ist.

Die derzeitige Bundesregierung befördert diesen Trend noch. Die Medienpolitik von Merkel u. Rösler stärkt in erster Linie die Großverlage. Mit der Änderung bei der Pressefusionskontrolle, müssen Übernahmen zukünftig nicht mehr bei einer Umsatz-Höchstgrenze von 25 Mio. Euro, sondern erst ab 65,2 Mio. Euro vom Kartellamt genehmigt werden. Das macht so genannte Sanierungsfusionen natürlich einfacher, die Pressevielfalt fördern sie jedoch nicht gerade. Ganz im Gegenteil.

Ebenso ist zu befürchten, dass das Leistungsschutzrecht Konzentrationstendenzen befördert und ausschließlich den großen Verlagen zugute kommen wird. Mit der Schaffung einer Lizenz zur Verlinkung von Artikeln, ist davon auszugehen, dass das Angebot der Großverlage dominieren wird. Kleinere Zeitungen haben somit keine Chance ihr Angebot über Suchmaschinen zu bewerben.

Die Aufgabe des Staates

Das Grundgesetz schützt die Medien vor Eingriffen des Staates. Das hat gute Gründe, die nicht nur historisch zu begründen sind. Die Unabhängigkeit der Presse wird somit gesetzlich sichergestellt. Durch diese Regelung werden direkte Fördermaßnahmen somit ausgeschlossen.

Ebenso verpflichtet der Artikel 5 des Grundgesetzes den Staat bzw. die Bundesregierung zur Wahrung der Pressevielfalt. Die Förderung publizistischer Vielfalt ist also nicht nur aus demokratischer Sicht elementar, der Staat wird auch per Gesetz dazu verpflichtet sie einzuhalten. Es kann sich also nur um indirekte Fördermaßnahmen handeln. Der eingeschränkte Handlungsspielraum lässt wenig Maßnahmen zu. Nicht nur deshalb muss klar sein, dass der Staat nicht die komplette Zeitungskrise beheben kann. Weiterhin kann er auch zukünftig die MitarbeiterInnen der Verlage nicht vor unternehmerischen Fehlleistungen schützen. Der Staat kann jedoch dafür sorgen, Hilfestellungen anzubieten, die Verlage dazu verhelfen können, aus einer misslichen Lage besser herauszukommen.

Zwei Maßnahmen zur Förderung der Pressevielfalt

Die Maßnahmen, die von der Politik zur Förderung von Pressevielfalt und journalistischer Qualität ergriffen werden können, sind bescheiden. Jedoch darf der Staat seinen Auftrag nicht vernachlässigen, alles dafür zu tun, dass die publizistische Vielfalt nicht abhanden kommt. Dabei soll es nicht darum gehen jede Zeitung mit allen Mitteln am Leben zu halten. Verlage sollen jedoch weiterhin die Möglichkeit haben in journalistische Qualität zu investieren. Folgende Maßnahmen können bereits jetzt in Angriff genommen werden:

Eine unabhängige Kommission zur Sicherung der Pressevielfalt

Das Gremium besteht aus unabhängigen Mitgliedern, die nicht weisungsgebunden sind. Somit ist die Staatsferne garantiert. Bei der Besetzung eignen sich Personen, die übergeordnete Fachkompetenzen in den Bereichen der Betriebs-, Rechts-, und Kommunikationswissenschaft aufweisen können. Die Kommission hat zwei wesentliche Aufgaben: Die Förderung von Pressevielfalt und die Sicherung journalistischer Qualität.

Ersteres setzt eine stetige Evaluation zur Situation der Pressevielfalt in der Bundesrepublik Deutschland voraus. Daher wird das Gremium damit beauftragt einen jährlichen Bericht mit den wichtigsten empirischen Zahlen zu diesem Thema herauszugeben. Hieraus muss speziell die Situation der Regionalzeitungen hervorgehen.

Ebenso soll der Kommission die Möglichkeit gegeben werden, Bürgschaften an not leidende Verlage zu vergeben. Die Vergabe ist dabei an fixe Kriterien gebunden. Vor jeder Erteilung muss ein Sanierungsplan vorliegen. Auf dieser Grundlage entscheiden dann die Mitglieder der Kommission, ob eine Bürgschaft sinnvoll ist. Neben den fachlichen Erwägungen über eine Vergabe muss es ebenso ein Kriterium sein, dass die journalistische Qualität bei den jeweiligen Verlagen langfristig sichergestellt werden kann.

Als Dienstleistung kann die Kommission auch eine Beratungsfunktion einnehmen. Verlage in einer misslichen Lage können sich somit professionellen Beistand zu Rat ziehen. Die Erträge aus dieser Tätigkeit fließen direkt in das Budget bei den Bürgschaften.

Zur politischen und gesellschaftlichen Bildung hat die Kommission ebenfalls die Möglichkeit eine finanzielle Förderung für einzelne journalistische Projekte auszuschütten. Dies hat den Sinn journalistische Qualität zu fördern. Hierbei legt die Kommission eigenständig Kriterien fest, nach denen eine finanzielle Zuwendung erteilt wird.

Gründung einer Stiftung Journalismus

Die Kernaufgabe dieser Stiftung ist die Aus-und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten. Das hat vor allem den Sinn die Verlage in dieser Aufgabe zu unterstützen und somit eine qualifizierte Ausbildung in diesem Bereich zu gewährleisten. Letztlich ist dies auch eine Aufgabe die der Sicherung von journalistischer Qualität zugute kommt.  Ebenso soll die Stiftung die Möglichkeit haben journalistische Projekte zu fördern. Über die Kriterien entscheidet der Stiftungsrat.

Finanzierung

Die Mittel für die Ausstattung der Kommission und das Finanzvolumen zur Kreditvergabe soll größtenteils aus der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Zeitungen und Zeitschriften generiert werden. Bislang entfallen auf Zeitungen und Zeitschriften ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 7 %. Die Mehreinnahmen aus der Erhöhung auf den Regelsatz, nämlich auf 19 %, würde die Finanzierung der Kommission, wie auch ein Budget zur Kreditvergabe, gewährleisten. Schon jetzt werden bereits E-Paper mit dem Regelsatz besteuert. Zu den Einnahmen können auch die Erträge aus den Beratungstätigkeiten gezählt werden.

Die Tätigkeiten der Stiftung sollen vorwiegend aus Spenden und öffentlichen Geldern finanziert werden.

 



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