19. November 2015

LMV März 2014: Für eine friedliche und nachhaltige Lösung im Ukraine-Konflikt



Am 18. März 2014 hielt Putin seine Rede zur Annexion der Krim. Damit besiegelte er de facto das, wovor in den westlich orientierten Regionen der Ukraine viele Angst hatten: Die Krim ist unabhängig und erklärt sich wieder zu Russland zugehörig. Dass der Westen das nicht anerkennt, ist für Putin – und für die überwältigende Mehrheit der russischen Bevölkerung, die in diesem Punkt entschieden hinter Putin steht – eher eine Bestätigung als eine Herausforderung. Der Westen hat weder die nötigen Mittel, noch die klare Entschlossenheit, die dafür nötig wären, Russland diese Errungenschaft wieder abzunehmen. Doch es ist nun nicht Europa, das vor einer Krise steht, sondern in erster Linie die Ukraine und womöglich das Baltikum sowie weitere ehemals sowjetische Staaten, die sich vor einem „Flächenbrand” der russischen Expansion unter Putin fürchten. Und diese Befürchtungen sind durchaus ernst zu nehmen. Es ist jedoch nicht klar, ob Putin vorhat, das russische Staatsgebiet zu erweitern. Der gesamte Streit um Putins vermeintliche Strategie ist auch überhaupt nicht zielführend. Was wir brauchen, um der Furcht der ehemaligen Sowjetstaaten gerecht zu werden, die Ukraine zu stabilisieren und das Völkerrecht endlich auf feste Beine stellen zu können, ist eine Politik der Deeskalation und des nachhaltigen Friedens! Es schadet nicht bloß Russland und der EU selbst, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, es schärft sogar den Konflikt zwischen der westlichen und der russischen Seite. Seit den 90ern ist es ein großer Fehler westlicher Politik, nicht mit sondern gegen Russland zu steuern. Seit Auflösung der Sowjetunion ist klar, dass die NATO eine sicherheitspolitische Bedrohung für Russland darstellt. Dennoch versuchen insbesondere die USA die NATO weitestgehend in den Osten Europas auszubauen, obwohl Gorbatschow während der Gespräche um die deutsche Wiedervereinigung versprochen wurde, dass eine solche Osterweiterung der NATO nicht stattfinden würde. Ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine hat ebenfalls die berechtigten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen Russlands nicht berücksichtigt. Es war ein grober Fehler, Russland nicht in die Verhandlungen mit der Ukraine über einen möglichen Beitritt dieser in die EU einzubeziehen, um Russland nicht vor den Kopf zu stoßen. Die Ukraine stellt in der EU-Osterweiterung einen prekären Fall dar, bei dem die EU mehr Feingefühl hätte walten lassen müssen, da sich insbesondere auf der Krim ein großer Teil der Bevölkerung stärker zu Russland hingezogen fühlt und die Krim einen historischen Hintergrund sowie eine geopolitische und militärische Funktion für Russland hat, die nicht einfach übergangen werden dürfen. Das Assoziierungsabkommen stand zwar – zumindest symbolisch – für mehr Demokratie und weniger Despotismus à la Janukowitsch, weshalb ein Unternehmen wie die pro-europäische Protestbewegung auf dem Maidan selbstverständlich prinzipiell zu unterstützen ist. Doch das, was daraus hervorgegangen ist, nämlich eine Regierung mit rechtsradikalen, faschistischen Mitgliedern, die gegen ethnische Minderheiten und die ursprünglich von der Maidan-Bewegung angestrebten Werte der EU wettern, darf nicht toleriert werden! Es sind die Faschist*innen der Swoboda-Partei, die nun mit am Steuer der Ukraine sitzen und die den mittlerweile militärischen Konflikt mit Russland um die Krim mitentscheiden. Eine solche Regierung darf nicht unterstützt werden! Gelder der EU zur Unterstützung der Ukraine helfen derzeit faschistischen Kräften, die ihre Positionen in der Übergangsregierung schamlos auszuspielen versuchen und damit auf lange Sicht die demokratischen und vielfältigen Werte der EU gefährden.

Weiterhin ist der Volksentscheid der Krim-Bewohner*innen natürlich nicht akzeptabel. Schon alleine der Boykott der Krim-Tataren sollte ein klares Zeichen sein, dass dieses Referendum nicht repräsentativ ist, und der Ausschluss der OSZE-Beobachter*innen lässt erkennen, dass keine demokratischen Maßstäbe an diesen Entscheid angelegt werden können. Obendrein ist ein Referendum dieser Art völkerrechts- und verfassungswidrig. Doch war es ebenfalls verfassungswidrig, dass Janukowitsch entmachtet wurde. Es war auch völkerrechtswidrig, dass Putin militärisch die Krim besetzt hat. Selbst die vorgeschobenen Gründe, wie bspw. die angeblichen Hilfe-Rufe russischer Staatsangehöriger, sind keine Rechtfertigung dafür. Doch Völkerrecht ist ein schlechter Bezugspunkt für den Westen, da auch dieser sich bisher nicht an jenes hat halten können und wollen: Kosovo, Afghanistan, Irak etc. Die Verweise auf Verfassungen und Völkerrecht bieten deshalb keine Legitimation, Russland mit Sanktionen zu belegen. Beide Seiten haben mittlerweile zu häufig gegen Verfassungen und Völkerrecht verstoßen. Aus eben diesem Grund ist es nun geboten, endlich einen Strich zu ziehen, das Völkerrecht zu respektieren und Russland damit nicht weiterhin Gründe zu geben, es zu missachten, womit eine Expansion umso wahrscheinlicher würde. Sanktionen bieten für eine Eindämmung des Risikos russischer Expansion keine Grundlage. Weder tangiert es Russland in hinreichend hohem Maße, wenn Konten gesperrt, Einreisen erschwert oder Gas boykottiert wird, noch bietet dieses Vorgehen eine nachhaltige Alternative, wenn Russland die Krim nicht wieder abtritt, wovon auszugehen ist. Vielmehr bieten Sanktionen Putin eine weitere Grundlage für die Verhärtung seines Feindbildes und erhöhen damit das Risiko für eine aggressive, expansive Politik Russlands. Es ist nämlich nochmals hervorzuheben, dass die überwältigende Mehrheit der russischen Bevölkerung und sogar Teile der ukrainischen Bevölkerung hinter Putin sehen. Eine Politik der Eskalation, eine Politik der Sanktionierungen und der blinden Machtausübung schürt nur den Konflikt, indem es Feindbilder schafft, auf die in gewissem Maß verständlicher Weise aggressiv reagiert wird, was weitere Konflikte – womöglich auch in der Ostukraine – nur wahrscheinlicher macht. Die Herstellung von Frieden über Sanktionen und Bedrohungsgleichgewicht ist eine zu kurz und im derzeitigen Standpunkt zu einfach gedachte, von Verzweiflung initiierte Idee, die wir als GRÜNE JUGEND Hessen nicht zu unserer Maxime erklären dürfen! Sanktionen können ein Mittel sein, um Verfassungs-, Menschen-, und Völkerrecht zu schützen und Frieden zu sichern. Doch bietet die derzeitige Situation, in der Putin harte, unumkehrbare Fakten geschaffen hat, keinen sinnvollen Ansatzpunkt für Sanktionierungen in diesem Sinne. Völkerrecht sowie Menschen- und Verfassungsrecht können erst wieder als gemeinsames Fundament internationaler Beziehungen gelten, wenn in fairen und konsensorientierten Gesprächen zwischen den Konfliktparteien – also insbesondere Russland und der EU sowie der Ukraine – ein gemeinsames Abkommen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit und zukünftigen Kooperation auf sicherheits- sowie wirtschafts-politischer Ebene getroffen wurde. Erst nach diesem Dialog sind Sanktionen ein Mittel, um Maßnahmen zu ahnden, die diesen gemeinsam beschlossenen Absprachen zuwiderlaufen oder das Völkerrecht brechen. Die dann zu treffenden Sanktionierungen müssen innerhalb eines Dialogs klar bekannt gemacht werden, womit für die involvierten Parteien Grenzen sowie Konsequenzen der zukünftigen Handlungen ersichtlich werden. Diese Sanktionen müssen im Falle des Vertragsbruches entschlossen und gezielt von der jeweiligen Partei durchgesetzt werden. Der Westen muss endlich einen Weg finden, mit statt gegen Russland zu agieren. Es darf nicht Ziel der westlichen Politik sein, Putin und Russland nach Maßstäben zu bestrafen, die der Westen selbst nicht einzuhalten vermochte. Stattdessen muss nun endlich eine nachhaltige Lösung gefunden werden, wie Russland und die EU miteinander leben können, und das Völkerrecht wieder auf ein stabiles Fundament gestellt werden kann. Eine Politik des Bedrohungsgleichgewichts und der Machtakkumulation auf beiden Seiten muss abgelöst werden von einer Politik der nachthaltigen Deeskalation und des gegenseitigen Vertrauens, worauf Frieden und politische wie wirtschaftliche Kooperation aufgebaut werden können.

Die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN JUGEND Hessen beschließt daher:
• Die EU wird aufgefordert, die Sanktionen gegen Russland umgehend aufzuheben und weitere Maßnahmen, die den Konflikt in der Ukraine und mit Russland verschärfen, zu unterlassen.
•  Die Bundesregierung und die EU werden aufgefordert, Gespräche mit Russland und der Ukraine einzuleiten, die zum Abzug der militärischen Aufgebote an der Grenze der Krim sowie im Schwarzen Meer führen.
•  Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich gegen die Erweiterung der NATO in den europäischen Osten einzusetzen, und damit die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands zu berücksichtigen.
• Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich innerhalb der OSZE für eine Unterstützung der Ukraine bei demokratischen (d.h. allgemeinen, freien, gleichen, unmittelbaren und geheimen) Parlamentswahlen einzusetzen.
• Die EU und die Bundesregierung werden aufgefordert, sich zukünftig deutlich stärker für eine Kooperation mit Russland in wirtschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Belangen einzusetzen. Außerdem müssen innerhalb eines fairen und konsensorientierten Dialoges zwischen den Konfliktparteien klare Absprachen getroffen sowie entsprechende Sanktionen für den Fall eines Vertragsbruchs bekannt gemacht werden.



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