23. Mai 2016

LMV Mai 2016: Strom trotz dunkler Flaute – grüne Energie sicher gedacht!



Die Menge an Strom aus regenerativen Energien hat sich seit 1990 verachtfacht und ihr Anteil liegt zurzeit bei 20% der gesamten Stromerzeugung. Durch diesen Erfolg spielen sie bereits jetzt eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Aufgrund der Schwankungen in Intensität und Dauer mit denen Wind- und Solaranlagen Strom liefern, ist eine kontinuierliche Strombedarfsdeckung jedoch nicht mehr sichergestellt. Zurzeit wird dies durch den Einsatz von Atom-, Gas- und vor allem Kohlekraftwerken ausgeglichen.

Weil das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den aus regenerativen Quellen erzeugten Strom vorrangig ins Netz speist, müssen Kraftwerksbetreiber bei Überkapazitäten ihre übrigen Anlagen herunterregeln oder gänzlich abschalten, um einen Stromüberschuss und dadurch bedingte Überlastungen im deutschen Stromnetz zu vermeiden. Da Atom- und Kohlekraftwerke nur sehr träge auf den sich verändernden Bedarf reagieren können und deren Kosten pro Kilowattstunde (kWh) deutlich niedriger sind als die der umweltschonenderen und flexiblen Gaskraftwerke, werden Letztere bevorzugt abgeschaltet – mit der Folge, dass der Bau und Betrieb von Gaskraftwerken zunehmend unprofitabel wird. Die Konsequenz ist, dass verstärkt in Kohlekraftwerke investiert wird, was inzwischen zu einer Erhöhung des Kohlendioxidausstoßes geführt hat. Da zugleich der Ausbau der regenerativen Energien auch weiterhin betrieben wird, führt dies zu einem Preisdruck, der Strom aus Gaskraftwerken verdrängt.

Wir fordern, dass dieser Preisdruck zulasten der Braun- und Steinkohle geht. Auf diese Weise sollen mittelfristig beide Energieträger vom Markt verdrängt werden. An deren Stelle sollen regenerative Energien den Grundlaststrom und Gaskraftwerke die Spitzenlasten abdecken. Dies muss mit verstärkten Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Speichertechnologien stattfinden. Denn um auf lange Sicht die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden, bedarf es technischer Mittel, die auf den schwankenden Strombedarf im Spitzenlastbereich flexibel reagieren können.

Diese Energiespeicher müssen in der Lage sein, in Phasen der Überschussproduktion Strom und Wärme zu speichern, um diese in Phasen des erhöhten Bedarfs wieder ins Netz zu speisen. Ansätze hierfür sind bereits gegeben, doch es mangelt an deren Realisierung und Vermarktung, was auch daran liegt, dass die Errichtung solcher Energiespeicher zurzeit unprofitabel ist. Da Planung sowie Errichtung dieser Anlagen mehrere Jahre in Anspruch nehmen, müssen jedoch bereits jetzt erste Schritte hierzu eingeleitet werden.

 

 

I. Power-to-Gas

Vor allem Wasserstoff besitzt ein hohes Potential als Träger regenerativer Energie. So kann er gleichermaßen als Brennstoff in Gasturbinen und Gasheizungen dienen wie auch als Kraftstoff für Elektroautos, die mit einer Brennstoffzelle ausgestattet sind. Das Prinzip, Überschussstrom aus regenerativen Energien zu nutzen, um Wasserstoff durch Elektrolyse herzustellen, wird als Power-to-Gas bezeichnet. Da mit dem vorhandenen Erdgasnetz bereits eine Basis für eine Wasserstoff-Infrastruktur besteht, die Haushalte, Tankstellen und Blockheizkraftwerke versorgen könnte, ist diese Form der Stromspeicherung diejenige, deren Realisierung am einfachsten zu bewerkstelligen wäre. Wasserstoff ist darüber hinaus ein Energieträger, dessen Eigenschaften bereits bestens bekannt sind und dessen Herstellung durch Elektrolyse auch im großtechnischen Maßstab mit geringen Kosten möglich ist. Ferner besteht die prinzipielle Möglichkeit der Nachrüstung bereits bestehender Gaskraftwerke zur Nutzung von Wasserstoff anstelle des heute genutzten Erdgases. Trotz all dieser Vorteile, besteht jedoch noch immer ein großes Entwicklungspotential. Daher fordern wir

•einen zügigen Ausbau des Gasnetzes,

•verstärkte Investitionen in die Entwicklung effizienterer Brennstoffzellen,

•verstärkte Investitionen in die Entwicklung effizienterer Speichersysteme, wie beispielsweise solchen aus Metallhydriden, um Energieverluste zu reduzieren und die Energiedichte zu erhöhen,

•verstärkte Investitionen in die Weiterentwicklung von Gasturbinen hinsichtlich einer Nutzung von Wasserstoff,

•eine Kombination aus einer Abwrackprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren und der jetzt beschlossenen Kaufförderung von Elektroautos wie sie bereits in den Niederlanden praktiziert wird,

•einen verbindlichen Fahrplan für den Aufbau eines dezentralen Netzes mit lokalen Hotspots zur Wasserstoffproduktion, die an Blockheizkraftwerke gekoppelt sind,

•mehr Öffentlichkeitsarbeit von Seiten der Politik, um über die wirtschaftlichen Chancen einer Wasserstoffwirtschaft aufzuklären

•und Finanzierung von Projekten zur Erprobung der Praxistauglichkeit.

 

II. Heat-to-Heat

Es reicht nicht, bei Speicherkonzepten nur die Stromerzeugung zu berücksichtigen. Vielmehr muss eine zukünftige Energiewirtschaft ganzheitlich betrachtet werden. Für eine dezentrale Energieversorgung, die regenerative Energien und Power-to-Gas-Anlagen umfasst, bedarf es auch Blockheizkraftwerke, die sowohl die Nutzung von Strom als auch Wärme ermöglichen. Sie haben jedoch den Nachteil, dass sie beides gleichzeitig bereitstellen, obwohl der Wärmeverbrauch vom Stromverbrauch überwiegend unabhängig ist. Um beides zu entkoppeln, sind auch hier Speicher notwendig. Bereits genutzt werden (teilweise unter Druck stehende) Tanks, die mit Wasser gefüllt sind und die Wärme aufnehmen können, wie beispielsweise Puffer von Heizanlagen. Diese sind bereits erprobt und werden auch zur Versorgung von Fernwärmenetzen eingesetzt, wie das Beispiel des Gaskraftwerks auf der Ingelheimer Aue zeigt. Jedoch reicht auch hier die Anzahl der vorhandenen Speicher bei weitem nicht aus, um künftige Schwankungen im Wärmeverbrauch auszugleichen. Zudem muss bei einem erhöhten Bedarf an Wärmeenergie gleichzeitig auch die Speicherdichte zunehmen. Vor allem Latentwärmespeicher, wie beispielsweise die so genannten Eisspeicher, bieten ein enormes Potential. Deswegen fordern wir

•eine Erweiterung des Fernwärmenetzes

•und größere Investitionen in die Erforschung von Latentwärmespeichern.

 

III. Reform des Stromsteuergesetzes

Die Kosten von Speicheranlagen sind noch immer sehr hoch – eine Situation, die durch die aktuelle Steuergesetzgebung noch verschärft wird. Energiespeicher, die Strom aus dem Netz entnehmen, sind laut Stromsteuergesetz (StromStG) so genannte „Letztverbraucher“. Bei Abnahme des Stroms müssen Betreiber*innen Steuern abführen. Diese werden an die Verbraucher*innen weitergegeben, die für den Eigenverbrauch ebenfalls Steuern abführen müssen. Die daraus folgende Doppelbesteuerung führt neben der EEG-Abgabe zu weiteren Kosten für Privatverbraucher*innen. Vor allem für Familien und Menschen mit geringem Einkommen wäre dies bei einem weiteren Ausbau einer Speicher-Infrastruktur eine zusätzliche finanzielle Belastung. Daher fordern wir eine Reform des Stromsteuergesetztes, um strombetriebene Energiespeicher von der Definition eines Letztverbrauchers auszuklammern.

 

IV. Kohleausstieg

Der Anteil des Einsatzes von Steinkohle an der deutschen Stromproduktion betrug im Jahr 2015 18,2%, der Anteil der Braunkohle sogar 24%. Durch ihre schlechte Regelbarkeit und ihren Ausstoß gesundheits- und umweltgefährdender Stoffe wie z. B. Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefeloxide und Feinstäube sind sie denkbar ungeeignet, die Versorgungssicherheit in der Übergangsphase hin zu einer vollständig regenerativen Stromversorgung sicherzustellen. Gleichzeitig blockieren sie einen verstärkten Einsatz von Gaskraftwerken, deren Einsatz auch in einer Wasserstoffwirtschaft noch möglich und sinnvoll wäre. Daher fordern wir den sofortigen Beginn des Ausstiegs aus dieser Form der Stromproduktion. Hierzu fordern wir

•eine Verknappung der CO2-Emissionszertifikate mit dem Ziel, den Preis pro kWh für Kohle zu erhöhen, um deren Einsatz gegenüber Erdgas zunehmend unprofitabel zu machen,

•eine Förderung der regenerativen Energien mit den, durch CO2-Emissionszertifikate eingenommenen, Gelder, bei gleichzeitiger Senkung der EEG-Abgabe für Privatverbraucher*innen,

•eine Ablehnung sämtlicher Bewilligungsanträge für Neubauten von Kohlekraftwerken bzw. Erweiterungen bereits bestehender Kohlekraftwerke

•und einen verbindlichen Plan, der einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 vorsieht.

Beschlossen, am 22.5.2016 auf der Landesmitgliederversammlung in Wiesbaden.



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