7. November 2017

LMV November 2017: Partizipation – auch im Betrieb!



Mitbestimmung in den Betrieben stärken!

Die Zukunft der Arbeit

Eine moderne Arbeitswelt wird viele Veränderungen mit sich bringen und viel hat sich bereits verändert. Bei der Ausgestaltung von Digitalisierung und Industrie 4.0 ist es eine entscheidende Frage, wie sich diese entwickelt. Wird die Robotisierung zu Jobverlust, Konkurrenz und Abwertung menschlicher Arbeit beitragen? Oder werden wir die Chancen nutzen, um die Erleichterungen durch den Fortschritt so zu nutzen und Arbeit so zu verteilen, dass allen ein gutes Leben ermöglicht wird?

Diese Kernfragen müssen nicht nur von Wissenschaftler*innen und in politischen Gremien diskutiert werden, sondern auch vor Ort in den Betrieben. Entscheidend wird sein, wie die Unternehmen und Betriebe diesen Wandel gestalten – als verschärfte Konkurrenz oder im solidarischen Miteinander. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zukunft der Arbeit von denen gestaltet werden muss, die sie leisten. Um das zu erreichen, streben wir eine Demokratisierung der Wirtschaft an – denn mit einer reinen Orientierung an Konkurrenz haben wir keine Zukunft.

Mitbestimmung in der Breite stärken und an neue Verhältnisse anpassen

Prekäre Arbeitsverhältnisse, Zeitverträge, Startups – die Strukturen der heutigen Arbeitswelt entsprechen nicht mehr denen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Struktur der Mitbestimmung und das Betriebsverfassungsgesetz wurden aber nie effektiv an die gewandelte Arbeitswelt angepasst. Aber nicht nur die Industriemechaniker*in sollte mitbestimmen können, sondern auch der Einzelhandelskaufmann, der Friseur oder die Schreinerin. Hinzu kommt, dass Berufe mit einem geringeren Organisationsgrad oder mit prekärer Beschäftigung, so zum Beispiel im Rahmen der Care-Berufe, oft vor allem von Frauen* ausgeübt werden, die sich so weniger Rechte im Arbeitsleben erkämpfen können – die Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes an die reale Arbeitswelt wäre somit auch eine Maßnahme gegen den Gender Pay Gap.

Aus Angst vor einem Beschäftigungsende wird sich von Befristung dominierten Branchen kaum organisiert, was wiederum zu schlechten Arbeitsverhältnissen beiträgt oder die Verbesserung dieser erschwert. Aus diesem Grund fordern wir die Schaffung von Strukturen und besonderen Anreizen, die die Gründung von Betriebsräten fördern, bspw. durch eine verpflichtende Vertragsverlängerung für Betriebsrät*innen mit befristeten Verträgen, um so den herrschenden Teufelskreis der Ausbeutung zu durchbrechen. Des Weiteren unterstützt die GJH Forderungen nach einem Verbot von unbegründeter Leiharbeit und unsachgemäßer Befristung. Um Mitbestimmung in der Breite zu stärken, muss die Mindestbeschäftigtenzahl zur Betriebsratsgründung auf 3 abgesenkt und das passive Betriebsratswahlrecht so erweitert werden, dass alle Beschäftigungsformen, bei denen eine hinreichende Nähe zum Betrieb besteht, abgedeckt sind. So sollten beispielsweise Leiharbeiter*innen ab Tag 1 ihres Einsatzes im Betreib mitbestimmungsfähig sein. Für Kündigungen sollte die Zustimmung des Betriebsrats notwendig sein, bei Personalentscheidungen sowie der Verlängerung nach Ablauf befristeter Verträge braucht es ein Mitsprache- und Anhörungsrecht des Betriebsrats.

Mitbestimmung vertiefen – Wirtschaftsdemokratie

Um wirklich Partizipation, Mitbestimmung und Demokratie in der Arbeitswelt voranzubringen, reicht eine Rückkehr zu einer flächendeckende(re)n Existenz von Betriebsräten aber nicht aus. Mit dem Unternehmensmitbestimmungsgesetz von 1976 wurde in Deutschland erstmals eine langjährige Forderung der Arbeiter*innen zur Mitbestimmung in unternehmerischen Angelegenheiten in Teilen für große Unternehmen verwirklicht. Wir als GRÜNE JUGEND Hessen möchten diesen Ansatz weiterentwickeln, zuletzt scheiterte eine Reform im Jahr 2006.

Zum einen müssen Lücken im Mitbestimmungsgesetz endlich geschlossen werden. Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik müssen sich an dieses Gesetz halten und die Vorgaben dürfen nicht durch spezifische Unternehmensorganisationformen umgangen werden. Nach Einschätzung der Hans-Böckler-Stiftung wird durch solche Gesetzeslücken 800.000 Beschäftigten die Mitbestimmung vorenthalten. Die Lücken in den Mitbestimmungsgesetzen müssen umgehend geschlossen werden. Denn die Mitbestimmung ist gelebte Demokratie und nur so können die Beschäftigten ihre Arbeitswelt aktiv und innovativ mitgestalten.

Um die Zukunft der Arbeitswelt von den Arbeitenden gestalten zu lassen, möchten wir ihren Einfluss darüber hinaus steigern. Ein Vorbild dafür kann die Mitbestimmung im Bereich der Schwerindustrie (Montanmitbestimmung) sein. Wir möchten die Maßgaben des Unternehmensmitbestimmungsgesetzes zum einen in der Breite ausdehnen und zum anderen eine Vollparität in Aufsichtsräten und eine Mitentscheidung bei der Besetzung von Leitungsfunktionen erreichen.

Partizipation für alle: Stärkt die Jugend!

Gerade junge Menschen haben es im Betrieb oft besonders schwer. Notendruck, mangelnde Unabhängigkeit der Kammern, welche die Zulassungen vergeben und die Ausbildungsqualität kontrollieren, aber auch Unsicherheit aufgrund mangelnder Erfahrungen können es jungen Menschen erschweren, ihre Interessen im Betrieb angemessen zu vertreten. Es ist folgerichtig unabdingbar, die Jugend- und Auszubildendenvertretung zu stärken, sei es durch Unterstützung beim Einstieg in die Betriebsratsarbeit oder durch unabhängige Beratungsangebote, aber auch durch einen Kündigungsschutz (vgl. oben). Ferner muss ein dauerhaftes Stimmrecht in Betriebsratssitzungen durchgesetzt werden, um konstante Teilhabe sicherzustellen.

Genoss*innenschaften unterstützen und Whistleblower*innen schützen!

Wirkliche Demokratie im Betrieb ist allerdings erst dann hergestellt, wenn die Arbeiter*innen den Betrieb kollektiv und selbstorganisiert leiten. Deshalb wollen wir die Unternehmensform der Genossenschaft unterstützen. Dafür müssen unnötige bürokratische Hürden bei der Gründung neuer Genossenschaften abgebaut werden und diese steuerlich gegenüber anderen Unternehmensformen begünstigt werden! Die Zwangsmitgliedschaft in Genoss*innenschaftsverbänden sehen wir kritisch.

Außerdem muss das Streikrecht dahingehend konkretisiert werden, dass auch freie Streiks und Solidaritätsstreiks zugelassen werden. Denn demokratische Organisationsformen dürfen für Unternehmen kein Wettbewerbsnachteil darstellen!

Außerdem setzen wir uns für den Schutz sogenannter „Whistleblower*innen“ ein, welche öffentlich auf Missstände oder Gefahren in einem Unternehmen aufmerksam machen. Diese Form der gemeinwohlbezogenen Transparenz und der häufig damit einhergehenden Korruptionsbekämpfung ist ein wichtiger Baustein für ein demokratisches und offenes Unternehmertum. Whistleblower*innen sollen daher im Rahmen von Schutzgesetzen frei von strafrechtlichen Verfolgungen bleiben und vor Repressionen und innerbetrieblichem Druck geschützt werden.



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