18. November 2021

LMV November 2021: Istanbul-Konvention konsequent umsetzen!



Seit dem Jahr 2018 gilt in Deutschland das Ȇbereinkommen des Europarats zur
Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt«.
Weltweit ist das Abkommen als Istanbul-Konvention bekannt. Die Umsetzung der
Istanbul-Konvention steht im Koalitionsvertrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU
für das Land Hessen. Dennoch erfolgt diese bisher nicht konsequent. Bis heute
herrschen erhebliche Missstände! Schutzbedürftige Frauen können nicht länger
warten.

 

Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert die folgenden Schritte zur konsequenten
Umsetzung der Istanbul-Konvention in Hessen:

 

  1. Genügend Betten für Frauen und ihre Kinder sicherstellen:

Der Europarat empfiehlt, dass ein Frauenhausplatz auf 7.500 Einwohner*innen
kommen soll. Hessen bietet mit 727 Plätzen lediglich 0,87 Frauenhausplätze auf
7.500 Einwohner*innen. Laut dieser Rechnung fehlen in Hessen 300 Familienzimmer
mit 800 Betten.

Die Unterzeichner*innen der Istanbul-Konvention verpflichten sich zu 1
Familienzimmer pro 10.000 Einwohner*innen. Laut der Landesarbeitsgemeinschaft
Autonomer Frauenhäuser Hessen (2019) fehlen aber zur Einhaltung dieses Zieles
fast 300 Zimmer bzw. Familienplätze allein in Hessen.

In einem gemeinsamen Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU im Hessischen
Landtag im Jahr 2019 wird gefordert, dass Frauenhäuser sich erneuern und
ausbauen. Der alleinige Ausbau der Frauenhäuser wird jedoch nicht genügend
Plätze schaffen. Es passiert immer wieder, dass mehrere Frauenhäuser
schutzsuchende Frauen abweisen müssen, da sie ihnen keine freien Plätze mehr
anbieten können. Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert die hessische Landesregierung
auf, genügend Platz für schutzsuchende Frauen in Hessen zu schaffen.

  1. Das Recht jeder Frau auf Schutz muss durchgesetzt werden:

Die meisten Frauenhäuser nehmen Söhne von Frauen nur bis zum Alter von 12 auf.
Eine Frau mit Sohn, welcher älter als 12 Jahre ist, hatte im Jahr 2019 nur in
59% der Frauenhäuser in Hessen die Chance auf einen Platz. Wenn der Sohn älter
als 14 ist, sank diese Prozentzahl noch weiter. Gewalt gegen die Mutter ist
immer auch Gewalt gegen das Kind. Frauen vor die Wahl zu stellen, ob sie ohne
ihr Kind vor dem gewalttätigen Umfeld fliehen oder gemeinsam mit dem Kind in
diesem Umfeld bleiben, ist nicht tragbar.

Wenn eine Frau eine Behinderung oder Beeinträchtigung hat, schrumpft die
Prozentzahl noch drastischer. Nur in 35% der Frauenhäuser in Hessen hatte eine
Frau im Jahr 2019 mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung die Chance auf
einen Platz. Dieses Problem wurde bereits in dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und CDU benannt. Dennoch hat sich seitdem nicht viel verändert. Diesen
strukturellen Ableismus können wir so nicht hinnehmen.

Die Tatsache, dass in den meisten Frauenhäusern das Mitbringen von Haustieren
nicht gestattet ist, verdeutlicht noch weiter, welchen Hindernissen sich Frauen
auf der Suche nach Schutz stellen müssen. Die GRÜNE JUGEND Hessen fordert den
Abbau genannter Hindernisse, für die Wahrung des Rechts auf Schutz für Frauen in
Hessen.

  1. Einzelfallunabhängige Finanzierung für Frauenhausplätze:

In Hessen fehlt eine einheitliche Finanzierung der Frauenhausplätze. In vielen
Kommunen werden die Frauenhausplätze durch das Sozialgesetzbuch bezahlt. Dies
schließt jedoch einige Frauen aus (Beispielsweise Studentinnen, Auszubildende
oder Erwerbstätige). Diese Frauen werden dann zu sogenannten Selbstzahlerinnen.
Ein Frauenhausplatz kostet die Schutzsuchenden dann bis zu 80€ pro Tag.

Für manche Frauen ist es wichtig, dass sie aus Schutzgründen einen
Frauenhausplatz in einer anderen Kommune erhalten. Teilweise müssen Frauen die
Kommune wechseln, da sie sonst keinen Platz mehr finden. Das verkompliziert
oftmals die Finanzierung, da eine Kostenerstattung zwischen Kommunen schwierig
ist.

Es wurden bereits zwei Plätze in autonomen Frauenhäusern in sogenannte
Regelplätze umgewandelt. Diese Plätze können dann auch Frauen einnehmen, die
keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Diese zwei Plätze werden jedoch
nicht ausreichen. Es kann nicht sein, dass sich schutzbedürftige Frauen in
Deutschland einen Frauenhausplatz leisten können müssen. Die GRÜNE JUGEND Hessen
fordert eine einzelfallunabhängige Finanzierung von Frauenhausplätzen, die
landesweit gleich bleibt und Vorbild für die Bundesebene wird.

  1. Aufbau einer hessischen Koordinierungsstelle für Frauenhäuser:

Mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention hat sich Deutschland dazu
verpflichtet, Koordinierungsstellen für Frauenhäuser aufzubauen. Der hessische
Koalitionsvertrag bestätigt dieses Bekenntnis. Bisher führt in Hessen allein
Frankfurt eine solche Koordinierungsstelle. Eine Koordinierungsstelle für ganz
Hessen existiert nicht. Dies erschwert die zuverlässige und menschenwürdige
Versorgung von schutzsuchenden Frauen in Hessen ungemein. Die GRÜNE JUGEND
Hessen fordert die hessische Landesregierung dazu auf, eine landesweite
Koordinierungsstelle für Hessen zu schaffen, um Frauen in Hessen den
bestmöglichen Schutz gewährleisten zu können.

Dies ist erst der Anfang!

Es ist eine Schande, dass Deutschland die Istanbul – Konvention im Jahre 2021
nicht erfüllt! Deswegen kann dieser Antrag erst der Anfang sein.
Außerdem ist die Istanbul Konvention original aus 2011 und so fehlen die neuen
Entwicklungen der queerfeministischen Bewegung. Wir fordern für die nahe Zukunft
endlich auch den Schutz aller FINTA* Personen, insbesondere INTA* Personen, die
von der Konvention aktuell nicht mit inbegriffen werden.

 

Beschlossen am 07.11.2021 auf der Landesmitgliederversammlung in Frankfurt.



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