18. November 2021

LMV November 2021: Verbesserung der psychosozialen Versorgungslage für Menschen mit Fluchterfahrung



Geflüchtete sind vielen Stressoren und traumatischen Erfahrungen vor, während und auch nach der Flucht ausgesetzt. Um ihnen diesbezüglich eine bestmögliche
Unterstützung anzubieten, muss gewährleistet sein, dass sie mit Erfahrungen vor und während der Flucht gut umzugehen lernen. Das können diese allerdings nur,
wenn hier bei der Ankunft und während der ersten Monate Stressfaktoren verringert und Unterstützungsangebote in Anspruch genommen werden.

Als erstes gilt es, Postmigrationsstressoren zu verringern, um negative Symptomverläufe minimieren.

  • Wir fordern, dass Asylverfahren weniger bürokratisch gestaltet werden, um
    Menschen schnelle und verbindliche Hilfe und Planungssicherheit zu bieten.
    Die Tatsache, dass Asylverfahren teilweise sehr lang dauern, ist ein
    Faktor, der dazu beiträgt, dass geflüchtete Personen Stress und
    Unsicherheit empfinden. Diese Umstände sorgen dafür, dass der mentale
    Zustand vieler Personen, die bereits durch ehemalige Umstände oder
    Fluchterfahrung vorbelastet sind, sich weiter verschlechtert.
  • Wir fordern eine würdige und sichere Unterbringung von Geflüchteten, um
    Stressoren zu verringern oder vermeiden zu können.
  • Wir fordern breitere Angebote, um Menschen mit Fluchterfahrung einen Raum
    zu geben in dem sich mit anderen austauschen können. Hierbei soll eine
    Möglichkeit bestehen, sich mit Menschen mit ähnlichen Erfahrungen
    auszutauschen. Zusätzlich soll Geflüchteten der Zugang zu
    Freizeitangeboten und Ähnlichem geboten werden, bei dem sie in die
    Gesellschaft integriert werden. Um eine gelungene Integration zu
    gewährleisten, fordern wir ein umfängliches Angebot an Deutschkursen,
    sodass jeder Mensch mit Fluchterfahrung die Chance hat, in Deutschland Fuß
    zu fassen und seine Anliegen an entsprechende Personen zu kommunizieren.

Danach sollte daran gearbeitet werde, negative Stigmata abzubauen.

  • Wir möchten Informationen zu psychosozialer Unterstützung schon
    niederschwellig vermitteln, um Zugangsbarrieren in unserem
    Gesundheitssystem abzubauen. Stigmata sollten reduziert werden, damit
    Menschen sich die Hilfe, die sie brauchen, auch suchen. Zusätzlich soll
    auf diese Weise ein Überblick über Anlaufstellen und Ansprechpartner*innen
    gewährleistet werden.

Es braucht mehr multimodale Anlaufstellen.

  • Zusätzlich fordern wir mehr kommunenübergreifende, finanzierte
    Anlaufstellen für Geflüchtete mit Unterstützungsbedarf. Diese
    Anlaufstellen müssen barrierefrei zugänglich sein. Die Finanzierung soll
    hierbei an multimodale, interdisziplinäre Teams geknüpft sein. Dies ist
    sinnvoll, da so einzelne Ansprechpartner*innen entlastet werden. Sie
    können Intervision in Anspruch nehmen und müssen keine Aufgaben
    übernehmen, in denen sie keine Expertise haben. Zusätzlich wird auf diese
    Weise die bestmögliche Behandlung von Geflüchteten erst möglich.

Um bessere Therapiekapazitäten gewährleisten zu können, braucht es mehr
psychotherapeutische Kassensitze.

  • Wir fordern eine neue Berechnung der Anzahl der Kassensitze. Die Art und
    Weise auf die Kassensitze für Psychologische Psychotherapeuten berechnet
    wird, ist realitätsfern. Aus diesem Grund sind viele Städte und auch
    Landkreise generell unterversorgt. Besonders in Regionen, die viele
    Menschen mit Fluchterfahrung als ihr neues Zuhause gefunden haben, sollte
    es eine bedarfsorientierte Anzahl an psychotherapeutischen Kassensitzen
    geben, die die Versorgung mit traumazentrierter Therapie weiter
    unterstützen können.

Zu guter Letzt gilt es, Sprachbarrieren mittels sicherer Finanzierung überwinden

  • Wir fordern, dass behandelnden und bearbeiteten Ansprechpartner*innen eine
    Möglichkeit gegeben wird ausgebildete Dolmetscher*innen in einer
    barrierefrei-zugänglichen Datenbank zu finden und zu kontaktieren. Dies
    beinhaltet auch Kontaktdaten zu Gebärdendolmetscher*innen in verschiedene
    Gebärdensprachen sowie zu Schriftdolmetscher*innen. Erst dadurch wird ein
    therapeutischer Austausch ermöglicht.
  • Wir fordern, dass Dolmetscher*innen, die in Angelegenheiten um Flucht,
    Traumatherapie, und anderen Problembereichen von Geflüchteten arbeiten, an
    staatlich subventionierten Schulungen teilnehmen, um zum einen die
    Probleme besser verstehen und einordnen zu können, und zum anderen auch
    nicht selbst unter den besprochenen Inhalten leiden.
  • Wir fordern, dass die Kosten für den Einsatz von Dolmetscher*innen in
    psychotherapeutischen Bereichen von Krankenkassen übernommen werden, da
    sie einen unerlässlichen Bestandteil der therapeutischen Behandlung von
    Geflüchteten darstellen.

Durch die Reduktion von Postmigrationsstressoren und die Behandlung psychischer Folgestörungen, die durch diverse Traumatisierung und Belastung erworben werden,
kann der Entstehung weiterer psychischer Probleme entgegengewirkt werden und die Integration sowie das menschliche Wohlergehen unserer Mitbürger*innen gefördert
werden. Lasst uns ein Zeichen für Mitgefühl und Menschlichkeit setzen.

 

Beschlossen am 07.11.2021 auf der Landesmitgliederversammlung in Frankfurt.



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