LMV November 2025: Gute Bildungspolitik statt Kulturkampf! – Für eine zukunftsorientierte Bildungslandschaft in Hessen
Die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN JUGEND Hessen möge beschließen:
Nicht zuletzt die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2024 verdeutlichen den alarmierenden Zustand an hessischen Schulen. Die GRÜNE JUGEND Hessen bewertet die bisherige Arbeit der schwarz-roten Koalition als bildungspolitisches Totalversagen und fordert die hessische Landesregierung auf, ihre bildungspolitischen Prioritäten grundlegend zu überdenken. Statt symbolpolitischer Kulturkämpfe wie dem Genderverbot an Schulen oder dem hessischen Alleingang bei den Landesjugendspielen müssen dringend echte Verbesserungen im Bildungssystem umgesetzt werden.
Konkret fordern wir:
- Politische Bildung flächendeckend stärken:
Politische Bildung muss in Schulen, Ausbildungsstätten, Betrieben und der gesamten Gesellschaft deutlich ausgebaut und dauerhaft finanziell ausreichend abgesichert werden. Nur so kann demokratisches Bewusstsein breit gefördert und gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt werden. - Demokratiebildung und Extremismusprävention an Schulen stärken:
Weniger Wissen über den Holocaust, mehr antisemitische und queerfeindliche Vorfälle sowie die gezielte Ansprache von Schüler*innen durch rechtsextreme Akteure zeigen: Demokratiebildung muss als Querschnittsthema über alle Schulformen und Jahrgänge hinweg verankert werden. Statt Ressourcen in die Durchsetzung und Kontrolle von Sprachregelungen zu investieren, muss die Landesregierung endlich ihrer Verantwortung nachkommen und Demokratiebildung an allen Schulen stärken. Die neue WERTvoll-Plattform des Kultusministeriums ist hierfür nicht ausreichend. Vielmehr braucht es verbindliche Fortbildungsangebote und Coachings für Lehrkräfte zur Demokratiebildung und zum Umgang mit Extremismus. - Deutsche Erinnerungskultur weiterentwickeln und in Lehrplänen verankern:
Erinnerungskultur darf nicht bei der NS-Zeit enden, sondern muss sich über die deutsche Teilung bis hin zu aktuelleren Themen wie den NSU-Morden oder den Morden in Hanau erstrecken. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte muss verbindlich in den Lehrplänen verankert werden, um ein umfassendes Verständnis historischer Verantwortung und globaler Gerechtigkeit zu fördern. Es gilt, Gedenkstättenbesuche von Schüler*innen, Studierenden, Auszubildenden und Mitarbeiter*innen aus Betrieben und der Verwaltung zu ermöglichen, Raum für die Vor- und Nachbereitung dieser Besuche fest zu verankern und bürokratische Hürden bei der Beantragung abzubauen. - Demokratische Schulen fördern:
Wir fordern die Einführung eines hessenweiten Programms zur Stärkung demokratischer Teilhabe an Schulen mit verbindlichen Mitbestimmungsrechten für Schüler*innen bei Schulentwicklungsprozessen. - Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte:
Um den Lehrer*innenberuf weiterhin attraktiv zu gestalten und Lehrkräfte zu entlasten, müssen Klassengrößen reduziert werden. Die Anzahl der Pflichtstunden soll nicht erhöht werden. Darüber hinaus fordern wir die Einführung der Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte, um den hohen Arbeitsaufwand, auch außerhalb geleisteter Unterrichtsstunden, endlich transparent darstellen zu können. Von der Vielzahl der (administrativen und sozialpädagogischen) Aufgaben, die Lehrkräfte im Schulalltag über ihre regulären Tätigkeiten hinaus wahrnehmen, sollen diese durch zusätzliches sozialpädagogisches, psychologisches und Verwaltungspersonal entlastet werden. Das Konzept des Poolings von Schulbegleitungen möchten wir auf den zuständigen Ebenen prüfen, da diese Kräfte mithilfe solcher Modelle flexibler zur Entlastung von Lehrkräften eingesetzt werden könnten. - Digitalisierungsoffensive mit Bildungsgerechtigkeit:
Statt Debatten über Handyverbote und das Verbot der Nutzung digitaler Endgeräte an Schulen benötigen wir eine flächendeckende Ausstattung aller Schulen mit zeitgemäßer digitaler Infrastruktur sowie kostenlose Leihgeräte für alle Schüler*innen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, sowie ein Mietkaufmodell für alle Schüler*innen ab der siebten Klasse, verbunden mit einem verpflichtenden Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte im Bereich digitaler Bildung. - Investitionsoffensive für die Lehrkräfteausbildung:
Statt der angekündigten Kürzungen im Bereich der Lehrkräfteausbildung fordern wir eine Aufstockung der Studienplätze sowie eine qualitative Verbesserung der Ausbildung durch kleinere Seminargruppen, mehr praxisorientierte Lehrveranstaltungen und eine angemessene Betreuung.
Die geplanten Sparmaßnahmen in der Lehrkräfteausbildung müssen zurückgenommen werden. Im Gegenteil wird eine Aufstockung der Stellen im Vorbereitungsdienst sowohl für angehende Lehrkräfte als auch für Ausbilder*innen dringend benötigt. - Herkunftssprachlichen Unterricht ausbauen:
Mehrsprachigkeit muss als wertvolle Ressource anerkannt und aktiv gefördert werden – auch und vor allem an Schulen. Es braucht einen Ausbau des herkunftssprachlichen Unterrichts (HSU), um die sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen gezielt zu stärken. - Teamgeist statt Leistungsdenken bei den Bundesjugendspielen:
Hessen muss die Bundesjugendspiele kindgerechter gestalten und den Fokus von starren Leistungsbewertungen auf Teamgeist, Fairness und Spaß an Bewegung verlagern. Einen Alleingang Hessens, eigene Landesjugendspiele auszurichten, lehnen wir ab. Die Bundesjugendspiele in der Form eines Wettbewerbs kommen in der Grundschule ohne exakte Zeit- und Maßangaben aus und fördern so den sportlichen Zusammenhalt und die soziale Kompetenz der Kinder. - Echte Chancengerechtigkeit schaffen:
Der Bildungserfolg darf nicht von der sozialen Herkunft abhängen. Die Landesregierung muss das Startchancen-Programm mit eigenen neuen Mitteln ausstatten, statt bestehende Programme anzurechnen, um Schulen wirksam bei ihren vielfältigen Herausforderungen zu unterstützen. - Stärkung der Berufsorientierung und der beruflichen Schulen:
Die Landesregierung soll die Mittel für moderne Berufsorientierungsprogramme an allen Schulformen deutlich aufstocken, verpflichtende Praxisphasen in verschiedenen Berufsfeldern einführen und die Zusammenarbeit mit Betrieben und Kammern ausweiten. Die zukunftsfähige Aufstellung und Ausstattung der beruflichen Schulen muss transparent und konstruktiv weiter vorangetrieben werden. - Ausbildung und Studium gleichwertig denken:
Auszubildende verdienen die gleichen Chancen wie Studierende, auch beim Wohnen. Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag ein eigenes Programm „Azubi-Wohnen“ sowie die Prüfung eines Azubiwerks angekündigt. Dieser Prozess muss jetzt transparent, zügig und mit klaren Zeitplänen umgesetzt werden, damit aus Prüfaufträgen und Ankündigungen echte Fortschritte werden und Ausbildungen nicht länger am fehlenden Wohnraum oder der zu weiten Anreisewegen scheitern. - Ganztagsausbau an Grundschulen jetzt entschlossen voranbringen:
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem Schuljahr 2026/27 ist in den meisten Regionen noch nicht erfüllt. Die Landesregierung muss deshalb schnellstmöglich ein unbürokratisches Investitionsprogramm auflegen, um Kommunen gezielt beim Ausbau von Ganztagsplätzen zu unterstützen. Gleichzeitig braucht es ein Konzept mit Qualitätskriterien, damit Ganztagsschulen ihr Potenzial für individuelle Förderung und gerechte Bildungschancen voll entfalten können.
Begründung
Die aktuelle hessische Landesregierung behauptet zwar, dass „Bildung in Hessen oberste Priorität“ habe (https://landesregierung.hessen.de/presse/bildung-hat-in-hessen-oberste-prioritaet), setzt jedoch in der Praxis falsche Schwerpunkte. Statt die tatsächlichen Herausforderungen im Bildungssystem anzugehen, wie den gravierenden Lehrkräftemangel, die unzureichende digitale Ausstattung und die wachsende Bildungsungerechtigkeit, konzentriert sie sich auf symbolpolitische Maßnahmen wie das Gender-Verbot an Schulen, Handy und Waffenverbote an Schulen und regelt damit selbstverständliches oder startet den Werteunterricht nur für InteA-Klassen.
Die von der Regierung als „positiv“ bewertete Bilanz des Gender-Verbots (https://www.n-tv.de/regionales/hessen/Genderverbot-an-Schulen-Positive-Bilanz-der-Regierung-article25473723.html) lenkt von den eigentlichen Problemen ab und schafft ein Klima der Verunsicherung unter Lehrkräften und Schüler*innen. Anstatt in einen ideologischen Kulturkampf zu investieren, müssen die begrenzten Ressourcen für echte Verbesserungen im Bildungssystem eingesetzt werden.
Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen adressieren die tatsächlichen Herausforderungen im hessischen Bildungssystem: Sie verbessern die Berufsorientierung, bekämpfen den Lehrkräftemangel durch attraktivere Arbeitsbedingungen und eine bessere Ausbildung, fördern die Digitalisierung unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit und stärken demokratische Strukturen und Demokratiebildung.
Nur mit einer solchen progressiven Bildungspolitik kann Hessen den Anspruch erfüllen, dass Bildung tatsächlich prioritär behandelt und das Ziel verfolgt wird, im bundesweiten Vergleich nicht nur statistisch, sondern auch qualitativ voranzukommen.
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