Offener Brief der Grünen Jugend Hessen an den Intendanten des Hessischen Rundfunks
Sehr geehrter Herr Reitze,
die Medien nehmen in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert ein. Für demokratische Staaten spielen sie eine fundamentale Rolle, da sie als Übermittler des politischen Tagesgeschehens und zur Grundlage der politischen Teilhabe dienen. Folglich beziehen viele Bürgerinnen und Bürger ihre Informationen eben aus der Berichterstattung. Das führt dazu, dass den Medien eine verantwortungsvolle Aufgabe zukommt. Die Bürgerinnen und Bürger adäquat in einer allen zugänglichen Form zu informieren ist sicherlich nicht immer einfach.
Als politische Jugendorganisation richten wir unser Programm primär nach den Interessen dieser und künftiger Generationen aus. Wir sehen uns als Sprachrohr eines Teils der jungen Menschen, denen ja öfters vorgeworfen wird, dass sie wenig für die Politik übrig haben. Diese Auffassung können wir aufgrund unserer Erfahrung nicht teilen..
Jedoch: Gerade junge Menschen leben in einer sehr medienvermittelten Welt. Grundlage hierfür sind die Informationen, die jede/r Einzelne aus Presse und Fernsehen erhält. Das Internet eröffnet zusätzliche Möglichkeiten bei der politischen Teilhabe. In Sachen politischer Berichterstattung sehen wir beim Hessischen Rundfunk (HR) erheblichen Handlungsbedarf. Dies ist auch der Grund, warum wir uns an Sie wenden.
Das Fernsehprogramm des HR ist aus unserer Sicht verbesserungswürdig. Bis auf die „Hessenschau“ oder „Hessen aktuell“, die sich nur bedingt mit dem Geschehen in Wiesbaden auseinandersetzen, gibt es keine Kontinuität der politischen Berichterstattung. Bei Plenarsitzungen beispielsweise ist man als politisch Interessierte/r auf die Brisanz der Debatten angewiesen. Andere Diskussionen im Landtag fallen dabei völlig runter. Sondersendungen werden auch noch allzu häufig abgebrochen, um eine weitere Wiederholung von „In aller Freundschaft“ zu senden. Generell hat man beim Fernsehprogramm des HR das Gefühl mehr Informationen über „dolle Dörfer“ in Hessen zu erhalten als über politische Debatten. Vor dem Hintergrund, dass das Fernsehen einen enormen Stellenwert als Informationsquelle einnimmt, ist dieses sehr bedauerlich.
Es mag ja sein, dass „In aller Freundschaft“ um die Mittagszeit eine hohe Einschaltquote besitzt. Womöglich erfreut sich auch noch die siebte Wiederholung von „Kein schöner Land“ hoher Beliebtheit. Dennoch dürfen diese Sendeformate nicht das Fernsehprogramm des hessischen Rundfunks dominieren. Der politische Auftrag muss wieder stärker im Vordergrund stehen.
Möglicherweise haben Sie bei der Ausstrahlung politischer Debatten oder Plenarsitzungen die Befürchtung, dass der Unterhaltungswert gegen Null geht. Redebeiträge von Heinrich Heidel oder Geschichten um einen Hundehaufen, der mit dem Generalsekretär der Sozialdemokratie in Verbindung gebracht wurde, können diese These jedoch falsifizieren.
Bei der Internetpräsenz hat sich beim Hessischen Rundfunk einiges getan. Immerhin sind einzelne Redebeiträge mittlerweile abrufbar. Ihre Seite ist eine Hilfe für unsere politische Arbeit, auch, weil z. B. Beiträge aus der Hessenschau länger abrufbar sind.
Verstehen Sie unseren Brief als Plädoyer für mehr politische Bildung im Fernsehprogramm des Hessischen Rundfunks – im Interesse der jüngeren Generation!
Wir stellen uns hierbei konkret mehr Übertragungen der Plenarsitzungen im Fernsehen oder via Live Stream-Übertragung im Internet vor. Möglicherweise wäre ein Sendeformat in den Plenarwochen, als Zusammenfassung der Diskussionen im Landtag, auch interessant für Sie.
Wir sind uns ebenfalls bewusst, dass der Fokus der politischen Berichterstattung bei der Bundespolitik liegt. In unserem föderalen Staatssystem fallen jedoch wichtige Entscheidungen auch auf Landesebene. Von der Information darüber hängt auch die politische Arbeit unserer Jugendorganisation ab.
Gerne würden wir uns in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen näher über unsere Vorstellungen unterhalten. Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Kaya Kinkel, Benjamin Weiß, Lysanne Dobranz, Philip Reuber, Eva Reckhard, Alexander Unrath, Sandra Knorr
Landesvorstand der Grünen Jugend Hessen
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