29. August 2016

LaBei August 2016: Sicherheit statt Populismus



Die in Europa und in Deutschland verübten Attentate der letzten Monate verleiten die CSU in Bayern und die Innenminister der Union dazu, ihre altbekannten Forderungen nach Bundeswehreinsätzen im Inneren und einem Burkaverbot aufzuwärmen. Diese Rhetorik und die Forderungen lehnt die Grüne Jugend Hessen entschieden ab. Der billige Populismus führt in die falsche Richtung, statt Sicherheit und Rechtsstaat zu stärken.
Für ein breites sicherheitspolitisches Verständnis
Die Grüne Jugend Hessen hat ein breites Verständnis von Sicherheit. Sicherheitspolitik umfasst neben dem Umgang mit Bedrohungen durch Terrorismus und militärische Gewalt auch soziale und humanitäre Sicherheit. Auch das Weißbuch zur Sicherheitspolitik 2016 der Bundesregierung macht deutlich, dass der Klimawandel und irreguläre Migration ebenso wie Gesundheitsgefährdungen Teil der internationalen Bedrohungsszenarien sind. Die von der Bundesregierung nicht genannte Ursache dieser Herausforderungen ist die weltweite Armut und soziale Ungleichheit, die den Ausbruch von Krankheiten und die Entstehung terroristischer Organisationen sowie Migrationsbewegungen begünstigt. Ebenso hängen fragile Staatlichkeit, die von der Bundesregierung als Bedrohung identifiziert wird, und Armut eng zusammen, wie auch die Gefährdung von Handelslinien, beispielsweise durch Piraterie. Dieses breite Verständnis lässt sich auf innenpolitische Problemstellungen übertragen. Auch in Deutschland dürfen soziale Sicherung, Integration, Bildung und gesellschaftliche Teilhabe nicht losgelöst von Fragen eines klassischen Verständnisses innerer Sicherheit betrachtet werden.
Verfehlte Instrumente für Sicherheit
Bundeswehreinsätze im Inneren verbessern nicht die Sicherheit
Ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist aus guten Gründen grundgesetzlich nicht vorgesehen. Hierbei muss jedoch zwischen Unterstützung ziviler Einsatzkräfte durch Bundeswehrsoldat*innen und eben dem geforderten Bundeswehreinsatz unterschieden werden. Unterstützung ist nach aktueller Gesetzeslage bereits möglich – beispielsweise im zivilen Katastrophenfall. In diesem Fall liegt die Einsatzplanung und -leitung bei den zivilen Beamt*innen. Diese kennen sich vor Ort aus und sind in der Bewältigung von Katastrophen und Krisen in Deutschland geschult. Die Bundeswehr hingegen verfügt für Einsätze dieser Art nicht über die nötige Expertise und auch nicht über die richtige Ausrüstung. Ein Bundeswehreinsatz im Inneren würde bedeuteten, dass Soldat*innen die Einsatzplanung und -leitung übernehmen und mit ihrer Ausrüstung und Ausbildung einen Einsatz durchführen. Beides – Ausrüstung und Ausbildung der Bundeswehr – sind nicht ausgelegt auf Nicht-Kriegsgebiete; so verfügt die Bundeswehr verfügt zum Beispiel im Gegensatz zur Polizei über andere Waffen und Munition. Einen solchen Einsatz der Bundeswehr in einer deutschen Großstadt wollen wir uns nicht vorstellen. Deshalb lehnen wir jegliche Bestrebung, die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren auszuweiten, strikt ab.
Strafrechtsverschärfungen verbessern nicht die Sicherheit
Die Unionsminister wärmen außerdem die alte Forderung nach einem Schutzparagrafen für Einsatzkräfte wieder auf. Dieser ist bereits einmal am Widerstand grün-regierter Länder gescheitert und wird dies wieder tun. Wir bekräftigen unsere Forderung nach gleicher Strafe für gleiche Straftat und lehnen einen Schutzparagrafen weiterhin ab. Mit der vergangenen Bundesratsinitiative aus Hessen sehen wir den Punkt im Koalitionsvertrag als erfüllt an und erwarten von der hessischen Landesregierung, dass sie dieser unnützen Strafrechtsverschärfung nicht zustimmen wird.
Weniger Datenschutz verbessert nicht die Sicherheit
In ihrer Berliner Erklärung stellen die Unionsinnenminister die Behauptung auf, dass „das überzogene Datenschutzrecht“ die Möglichkeiten, die Bürger*innen zu schützen und Feind*innen der Demokratie abzuwehren, unverhältnismäßig einschränke. Mit ihren mannigfaltigen Forderungen den Datenschutz einschränken, bauen sie jedoch am autoritären Überwachungsstaat und stellen selbst die liberale Demokratie in Zweifel. Jedem Angriff auf das Recht auf Verschlüsselung stellt sich die Grüne Jugend Hessen entgegen. Auch die Erweiterung der nutzlosen Vorratsdatenspeicherung, die in Frankreich und Belgien keinen einzigen Anschlag verhindert hat, lehnen wir sowohl in der Verlängerung der Speicherzeit als auch in der Ausweitung auf andere Straftatbestände ab. Außerdem lehnen wir die automatische erkennungsdienstliche Behandlung von allen Asylbewerber*innen ab, die sie auf die gleiche Stufe mit Straftatsverdächtigen stellt.
Jeden Zugriff auf persönliche Daten wie eine Online Durchsuchung oder die Anwendung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung stellen wir unter den Richtervorbehalt. Damit wollen wir einer überbordenden Exekutive die Zügel anlegen. Die angewendeten Maßnahmen müssen zudem jährlich von den zuständigen Datenschutzbeauftragten evaluiert werden. Einer stärkeren Zusammenarbeit der europäischen Behörden stehen wir als proeuropäischer Verband offen gegenüber. Jedoch ist auch bei der Zusammenführung der Datenbanken die Datensparsamkeit für uns ein hohes Gut. Zusätzlich spricht sich die GJH für die Integration des Prümer Vertrags in die Europäische Union aus und will damit die hohen Datenschutzstandards der EU auch auf diese Erhebungen übertragen.

Ein Kleidungsverbot verbessert nicht die Sicherheit
Ebenfalls am Ziel vorbei geht der Vorschlag eines Burka-Verbots in der Öffentlichkeit. Wer die Grünen eine Verbotspartei nennt, sollte sich die CSU nochmal genau anschauen. Ein Verbot von Vollverschleierung – also sowohl eines Gesichtsschleiers als auch einer Körperverschleierung – ist integrationspolitischer Unsinn und bietet keinen Mehrwert in Sachen Sicherheit. Wer will, dass alle Menschen Teil unserer Gesellschaft sind, darf nicht zulassen, dass aufgrund eines solchen Verbots Frauen ihr Haus nicht mehr verlassen können.
Mehr Sicherheit durch Rechtsstaat und Sozialstaat
Während die CSU mit ihrer Forderung nach einem Bundeswehreinsatz im Inneren die Arbeit der Polizei verhöhnt, setzten Grüne in den Ländern und im Bund auf eine gut aufgestellte und ausgebildete Polizei. In diesem Zusammenhang begrüßt die Grüne Jugend Hessen das Sicherheitspaket der hessischen Landesregierung, das die Polizei stärkt, indem mehr Anwärter*innen eingestellt werden, Überstunden ausbezahlt und Zulagen für Nacht- und Wochenendarbeit erhöht werden. Eine Polizei, bei der die Arbeitsbedingungen an die Belastbarkeitsgrenzen der Beamt*innen gehen, kann ihre Aufgaben nicht gut erfüllen.
Zu einem starken Rechtsstaat gehört auch eine gute Präventionsarbeit. Hier begrüßt die Grüne Jugend Hessen auch, dass das Land Hessen mit dem Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ Initiativen gegen Rassismus, Rechtsextremismus und religiöse Radikalisierung unterstützt. Mit der Stärkung von zivilgesellschaftlichem Engagement und Demokratie, mit Aussteiger*innen-Programmen und Bildungsprogrammen lässt sich ein Beitrag für mehr Sicherheit leisten, der gleichzeitig unsere freiheitlichen Werte stärkt, statt sie einzuschränken.
Ziel der Politik muss es sein, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Deshalb treten auch wir populistischen Forderungen, die diesen Zusammenhalt gefährden, entgegen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird unter anderem von einer umsichtigen Sozialpolitik und Integrationspolitik gestärkt. Die Integrationspolitik der aktuellen Bundesregierung verfehlt diese Aufgabe, indem sie mit kalter, harter Hand Bestrafungssysteme einführt. Die Grüne Jugend Hessen fordert, stattdessen auf die Bereitschaft und den Willen der geflohenen Menschen zu setzen, ihre Hoffnung durch eine gute psychologische Beratung und Traumabewältigung zu stärken und ihnen durch Arbeitsmarkt- und Wohnungsbauprogramme eine Zukunft zu bieten.



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